„Weder der Körper der Frau noch die Geburt eines Kindes können in einem System von Produktion und Warenaustausch gehandelt werden, ohne dass dabei die Rechte des Einzelnen grob verletzt werden.“ Das betont die neu gegründete österreichische Initiative Stoppt Leihmutterschaft. Leihmutterschaft bedeute die Ausbeutung von Frauen, stehe im Widerspruch zur UNO-Kinderrechtskonvention und degradiere das Kind zur Ware. In einer Petition, die seit Mitte Februar 2018 online unterzeichnet werden kann, wird ein internationales Verbot der Praxis von Leihmutterschaft gefordert. Prominente Unterstützerinnen und Unterstützer sind die deutsche Feministin Alice Schwarzer, die Journalistin Elfriede Hammerl, der Politikwissenschafter Emmerich Tálos, die Chirurgin Hildegunde Piza, die ehemalige Wiener SPÖ-Frauengesundheitsbeauftragte und Psychologin Beate Wimmer-Puchinger sowie der frühere ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg (vgl. Standard, online, 28.2.2018).
Ins Leben gerufen wurde der Verein 2017 von einer Expertenrunde aus Kinderärzten, Psychologen, Ethikern, Juristen und Hebammen rund um die Journalistin und Publizistin Eva Maria Bachinger.
„Bewusst wird in der Debatte ausgeblendet, dass die Tatsache, bestellt und von einer fremden Frau ausgetragen worden zu sein, per se dem Kindeswohl und grundlegenden Rechten des Kindes widerspricht“, sagt die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer und Mitinitiatorin von Stoppt Leihmutterschaft. „Kinder und Frauen haben unveräußerliche Rechte: Wer Kinder zum Vehikel für Elternwünsche macht, Frauen auf ein mietbares Objekt reduziert und Nachwuchs gegen Geld handelt, verstößt eklatant gegen die Menschenrechte“, betont IMABE-Geschäftsführerin Kummer.
Die Auftaktveranstaltung der Initiative fand am 5. März 2018 im Wiener Amerlinghaus statt. Die indische Public-Health-Forscherin und Feministin Sheela Saravanan von der Universität Heidelberg stellte dabei klar, dass das individuelle Recht auf Reproduktion nicht auf Kosten der Ausbeutung anderer ausgelebt werden darf. Leihmutterschaft ist mit rund 3.000 Wunschbabykliniken in Indien ein eigener Industriezweig. Die Kliniken schicken ihre Agenten in entlegene Dörfer, um Frauen anzuwerben. Vor allem Frauen aus ärmeren Schichten, meist Analphabetinnen, sichern damit den Lebensunterhalt für den Rest der Familie oder die Schulbildung für ihre eigenen Kinder.
Über die Gesundheitsrisiken werden sie nicht informiert, kritisiert Saravanan. Über Tot- oder Fehlgeburten nach Leihmutterschaft wird nicht gesprochen, bezahlt wird erst nach Aushändigen eines - gesunden - Kindes. Behinderte Kinder müssen laut Vertrag abgetrieben werden oder werden nach der Geburt von den Bestelleltern zurückgelassen. „Diese Frauen sind rechtlos, werden überwacht, was sie essen, welche Musik sie hören und leben neun Monate lang abgeschirmt von ihren Angehörigen“, erzählt die Forscherin. „Je schwerer das Baby bei der Geburt ist, desto höher ist die Prämie.“ Menschenhandel von Sexarbeiterinnen und Leihmüttern gehe oft Hand in Hand. Am Beispiel Indiens wird klar, wie sehr Armut, Menschenrechtsverletzungen und die Gesundheit gefährdende Praktiken mit dem Geschäft der Leihmutterschaft verflochten sind.
Einig waren sich die Expertinnen, dass es ein internationales Verbot von Leihmutterschaft braucht sowie mehr Aufklärung und Bewusstsein über Leihmutterschaft, ihre Folgen - und dass es dabei um Menschenrechtsverletzungen geht. Für die Journalistin und Autorin Eva Maria Bachinger (Kind auf Bestellung, 2015) handelt es sich bei Leihmutterschaftsverträgen de facto um Kinderhandel - und um Ausbeutungsverhältnisse von wohlhabenden Bestelleltern gegenüber Frauen in prekären Lebenslagen (vgl. Wiener Zeitung, online, 2.3.2018). Lisbeth Trallori, feministische Politikwissenschaftlerin, kritisiert, dass der Körper der Frau durch Leihmutterschaft komplett „durchkommerzialisiert“ werde, die Medizin habe die Rolle einer „Wunscherfüllungsmaschine“ übernommen. Die feministische Philosophin Birge Krondorfer stellt das Konzept der angeblichen freien Wahl und Selbstbestimmung von Leihmüttern in Frage: „Autonomie gibt es nur bei entsprechendem Umfeld.“ Für Maria Eberstaller, Psychologin vom Verein Eltern für Kinder negiert das Geschäft der Leihmutterschaft, „dass es eine pränatale Bindung gibt“. Während Eltern, die ein fremdes Kind adoptieren wollen, zu Recht auf diesen schwierigen Schritt intensiv vorbereitet werden müssen, würde dies bei der Leihmutterschaft komplett umgangen.
Die Juristin Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie betont, dass nur ein internationales Verbot von Leihmutterschaft nationale Verbote auf Dauer wirksam absichern könne. „Ein nationales Verbot zum Schutz vor Ausbeutung von Frauen und zum Schutz für Kinder ist gut, aber alleine zu schwach“, so Merckens. Daher der Appell der Initiative an die österreichische Bundesregierung, sich wirksam für ein weltweites Verbot von Leihmutterschaft einzusetzen.
Stoppt Leihmutterschaft wurde infolge ähnlicher internationaler Zusammenschlüsse wie Stop Surrogacy Now in den USA bzw. der europaweit vernetzte feministische Verein Collectif pour le Respect de la Personne (CoRP) gegründet. (vgl. Bioethik online, 15.1.2018).