Am 8. Dezember 2011 ist in Deutschland das Gesetz zur Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Kraft getreten. Erstaunlich ist, dass ein ethisch so brisantes und politisch so heiß debattiertes Thema wie die PID nun zwar legalisiert ist, im Konkreten aber längst nicht klar ist, wie, von wem und unter welchen Bedingungen der Gencheck bei Embryonen zwecks Selektion nun angewendet werden darf. An der dafür notwendigen Rechtsverordnung wird immer noch gearbeitet. Gleichzeitig jedoch wurden „überraschenderweise bereits die ersten PID-geprüften Schwangerschaften gemeldet“, kritisiert die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Mechthild Löhr (Pressemitteilung online, 7.12.2011). Sie fürchtet, dass in Zukunft die obligatorischen Ethikkommissionen jeweils darüber entscheiden, welches Leben als lebenswert zu gelten hat. Voraussetzung für eine PID sind neben der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer schweren Erbkrankheit ja auch das positive Votum einer Ethikkommission und die Durchführung an zugelassenen Zentren. Offen bleibt, was unter „schwerer Erbkrankheit“ zu verstehen ist.
In einem aktuellen Positionspapier zur PID (PID - Fakten und Daten) legt IMABE dar, warum die PID sowohl aus medizinischer, als auch ethischer und gesellschaftspolitischer Sicht unannehmbar ist. Wer PID erlaubt, bahnt innerhalb kurzer Zeit dafür den Weg zu einem Routineverfahren innerhalb der In-Vitro-Fertilisation, mit welchem Sicherheiten auf ein „gesundes“ Kind vorspiegelt werden. In diesem Zusammenhang fordert Susanne Kummer, stv. Geschäftsführerin von IMABE, eine „ehrliche Debatte, auch über nicht offengelegte Interessen“ wie etwa die Ermöglichung der Qualitätskontrollen von Embryonen im Zuge der IVF oder handfeste ökonomische Interessen von reproduktionsmedizinischen Zentren (die Kosten für PID-Tests liegen bei 2.000 bis 4.000 Euro).
„Menschenwürde ist unteilbar: Die Anerkennung der Würde des Menschen ist an seine Existenz gebunden, nicht an seine Eigenschaften.“ Dass die Zerstörung des Embryos der Menschenwürde widerspricht, wurde erst jüngst in einem EuGH-Urteil (Brüstle vs. Greenpeace C-34/10) bekräftigt. Gesellschaftspolitisch werde der Gleichheitsgrundsatz durch PID untergraben. Hier würden Menschen einem „abstrakten Gesundheitsideal“ zum Opfer fallen: „Nicht Krankheiten werden eliminiert, sondern die Kranken. Dies widerspricht einer aufgeklärten Gesellschaft, deren wohl höchste Errungenschaft die Menschenrechte sind.“
Selbst wer für strenge Begrenzungen und eine Einzelfallregelung der PID eintritt, scheitert an der Praxis: „ein Indikationsmodell („Watch-Liste“ von Krankheiten) ist praktisch undurchführbar, die Liste wird je nach Stand der Technik immer weiter - und damit auch die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen immer schärfer“, heißt es in der Stellungnahme von IMABE. (Weitere Informationen zur PID: IMABE-Dossier „Präimplantationsdiagnostik“)