Das österreichische Gesundheitssystem ist teuer, lässt aber an Effizienz zu wünschen übrig. Dies zeigen die aktuellen Zahlen des OECD-Gesundheitsreports Health at a Glance 2015, der am 4. November 2015 veröffentlicht wurde. Die österreichische Gesundheitswirtschaft ist ein Milliardenmarkt. Zuletzt lagen die jährlichen Gesundheitsausgaben bei 34,8 Milliarden Euro. Der Großteil (38,8 Prozent) fließt in den stationären Bereich. Nur 25,2 Prozent gehen in den ambulanten Bereich. „Es wäre wichtig, die Kontinuität der Versorgung der zunehmenden Zahl von Menschen mit chronischen Krankheiten zu stärken, und so unnötige Spitalsaufenthalte zu vermeiden“, mahnt der Report. Das österreichische Gesundheitssystem sei „stark von stationärer Versorgung geprägt“. So hat Österreich pro 1.000 Einwohner 60 Prozent mehr Spitalsbetten als der Durchschnitt aller 34 Mitgliedsstaaten. Mit 7,7 Betten pro 1.000 Einwohner liegt Österreich an vierter Stelle im OECD-Vergleich, nur Japan, Korea und Deutschland haben noch mehr Betten, heißt es in der OECD-Pressemitteilung zur Lage in Österreich (vgl. Gesundheit auf einen Blick 2015: Wo steht Österreich?).
Die hohe Verfügbarkeit muss offenbar ausgelastet werden: Österreich hat im Verhältnis zu seinen Einwohnern die weitaus höchste Zahl an Spitalsbehandlungen in der OECD. Mit 266 Spitalsentlassungen je 1.000 Einwohner liegt die Alpenrepublik um 70 Prozent (!) über dem OECD-Schnitt (155 Entlassungen je tausend Einwohner). Diese extreme Zahl an Spitalsbehandlungen lasse sich nicht durch Unterschiede in der Bevölkerungsstruktur erklären. So hätten etwa nordische Länder wie Finnland und Schweden einen höheren Anteil an über 65-Jährigen, dennoch weniger Spitalsaufnahmen und -entlassungen, resümiert der Bericht. Eine der Ursachen für die hohe Hospitalisationsrate ist aus OECD-Sicht Österreichs Rückstand bei ambulanten Eingriffen. Zwar sei bei Kataraktoperationen („Grauer Star“) der Anteil tagesklinischer Operationen stark von nur einem Prozent im Jahr 2000 auf 67 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Im Großteil der OECD-Länder würden aber fast alle Star-Operationen ambulant durchgeführt. Mandeloperationen würden in Österreich fast nie tagesklinisch durchgeführt, in vielen anderen Staaten aber schon, so das Resümee.
Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer fasst das System so zusammen: „Es sind die unstrukturierten Versorgungsebenen, das Nebeneinander von unzähligen Subsystemen, die mit viel Geldleistung wenig Ergebnis liefern. “ (vgl. Wiener Zeitung, online, 4.11.2015) Interessant ist laut OECD-Bericht, dass Österreich, neben Griechenland, weltweit Spitzenreiter bei der Zahl praktizierender Ärzte ist. Noch nie gab es so viele Ärzte in der OECD, Österreich liegt mit fünf Ärzten pro 1.000 Einwohner schon an zweiter Stelle hinter Griechenland (6,3), der OECD-Schnitt liegt bei 3,3. „Wir haben sehr viele Köpfe, aber diese sind nicht im System“, sagt Pichlbauer.
Österreich bleibt auch im Spitzenfeld bei der Implantation von künstlichen Hüft- und Kniegelenken - auch das seit Jahren unverändert. Mit 215 Kniegelenken pro 100.000 Einwohner (OECD Indicators) an zweiter Stelle, OECD-Durchschnitt ist 121. Zum Vergleich: In Norwegen liegt die Zahl bei 89 Kniegelenken pro 100.000 Einwohner. Auch beim Einbauen von Hüftprothesen liegt Österreich mit 276 neuen Hüften pro 100.000 Einwohner weit über dem EU-Durchschnitt von 161. Prothesen müssen nach rund 15 bis 20 Jahren gewechselt werden, damit steigt die Zahl der Operationen automatisch mit wachsendem Patientengut.
Dramatisch bleibt der Alkoholkonsum, der höher ist als in Russland: Mit 11,5 Liter reinem Alkohol pro Jahr liegt Österreich an zweiter Stelle hinter Litauen - wenngleich der Konsum seit dem Jahr 2000 gesenkt werden konnte. Schlechte Daten zeigt auch die Impfrate. Gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten sind nur 83 Prozent der Einjährigen immunisiert, ein Wert, der nur von Indien und Südafrika unterboten wird. Noch schlechter ist die Durchimpfungsrate hierzulande bei Masern mit 76 Prozent - der OECD-Durchschnitt liegt bei 94 Prozent.