Seit der Freigabe der Morning-After-Pille in Großbritannien im Jahr 2000 ist die Abtreibungsrate nicht wie von den Verantwortlichen erhofft gesunken, sondern gestiegen. Hätte man sich die ganze Debatte um die Freigabe des Präparats angesichts dieser Daten nicht sparen können, fragt sich deshalb Anne Glasier vom Edinburgher Lothian Primary Care NHS Trust jüngst im British Medical Journal (2006; 333: 560-561). Eines der Pro-Argumente, die auch in der US-amerikanischen Debatte zur Freigabe des Präparats vorgebracht wurden, lautete, dass das Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft und damit die Abtreibungsrate durch das Angebot dieses Präparats gesenkt werden könnten. Doch genau diese Argumentation geht laut Glasier angesichts der neuesten britischen Zahlen ins Leere. Hatten 1984 in Großbritannien noch 11 von 1000 Frauen abgetrieben, waren es im Jahr 2004 nach offiziellen Zahlen bereits 18 von 1000 Frauen (185.400 Abtreibungen). Was Glasier, die selbst nicht prinzipiell gegen Abtreibung ist, bewusst oder unbewusst nicht anschneidet, ist, dass auch die „Pille danach“ eine abtreibende Wirkung haben kann. Das Hormon Levonorgestrel kann die Befruchtung verhindern, sehr wohl aber auch einnistungshemmend und damit frühabtreibend wirken. So gesehen ist das Argument, die Morning-After-Pille könne prinzipiell Abtreibungen reduzieren, von vorneherein ein Scheinargument. In Großbritannien, das europaweit die höchste Zahl an Teenager-Schwangerschaften hat, ist das Präparat ab dem 16. Lebensjahr in Drogerien und Apotheken rezeptfrei erhältlich. Glasier hält den Zusammenhang zwischen zu früher sexueller Aktivität ohne Kinderwunsch und einem steigend laxen Verhältnis zur Abtreibung für bedauerlich. Die Notfallpille sei keinesfalls ein Mittel, um die Abtreibungsrate zu senken.
Bioethik aktuell
Notfallpille: Großbritannien kämpft mit zu laxem Verhältnis zur Abtreibung
Selbst Abtreibungsbefürworter stellen Sinn von Freigabe der Notfallpille in Frage
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