Die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen ist ein globales Problem: Weltweit sterben laut WHO jährlich mehr als 700.000 Menschen aufgrund von Infektionen mit resistenten Bakterien (vgl. Bioethik aktuell, 11.1.2016). Zur Entschärfung der Resistenzproblematik ist es wichtig, dass Antibiotika nur dann eingesetzt werden, wenn sie wirklich medizinisch erforderlich sind. Künstliche Intelligenz könnte Ärzten dabei helfen, den Anteil an Fehlverschreibungen deutlich zu reduzieren. Das geht aus einer aktuellen vom Europäischen Forschungsrat geförderten Studie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor (DOI: https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-13-1).
Beim Einsatz aller verfügbaren Informationen - Zeit und Region, Alter und Geschlecht, detaillierte Personenmerkmale, Gesundheitsdaten sowie die ärztliche Entscheidung - für die Methoden künstlicher Intelligenz konnten die Forscher die Anzahl von fehlangezeigten Antibiotika-Verschreibungen um 10,2 Prozent senken.
Für Ärzte ist es nicht immer leicht einzuschätzen, ob eine Antibiotika-Verschreibung indiziert ist oder nicht. Fehlverschreibungen sind ein wesentlicher Faktor, der dazu führt, dass Bakterien Antibiotika-Resistenzen entwickeln. Zu den Hauptgründen, aus denen Antibiotika verschrieben werden, zählen Harnwegsinfektionen. Wenn diese durch Bakterien verursacht werden, können sie effektiv und sicher mit Antibiotika behandelt werden. Ganz ähnlich sind jedoch auch die Symptome, wenn eine virale oder andere nicht- bakterielle Infektion vorliegt. In diesem Fall ist eine Behandlung mit Antibiotika nicht wirksam. Ähnlich sieht es bei Atemwegsinfektionen aus.
Für eine genaue Diagnostik der Infektionsgründe benötigen Ärzte Laboranalysen. Da diese in der Regel erst nach mehreren Tagen verfügbar sind, müssen Mediziner sich bei der Wahl der Therapie häufig auf ein klinisches Kalkül und eigene Erfahrung stützen. Hier kommt nun künstliche Intelligenz ins Spiel. Datenbasierte Vorhersagen können dabei helfen, die vorhandenen Unsicherheiten zu verringern und die Trefferrate der (richtigen) Diagnose zu erhöhen. Mittel- und langfristig könnte damit eine (unwirksame) Therapie mit Antibiotika und damit die Gefahr einer Resistenzbildung von Bakterien verringert werden. Das ist nicht nur für die Patienten von Nutzen: Britische Gesundheitsexperten schätzen die Kosten, die durch antibiotika-resistente Bakterien verursacht werden, für das Jahr 2050 auf etwa 100 Billionen US-Dollar (vgl. Trends der Zukunft, 8.4.2021). Um die KI-Methode im Gesundheitswesen anzuwenden, müsse jedoch die Digitalisierung im Gesundheitswesen besser ausgebaut und genutzt werden - bei gleichzeitiger Einhaltung der gesellschaftlich akzeptierten Datenschutz- und Ethikstandards, wie die Autoren betonen.
Künstliche Intelligenz, der Einsatz von Robotern und die daraus folgenden ethischen Herausforderungen für die Zukunft ist Thema des interdiszplinären Austauschs. Unter dem Titel AI, Robotics, and Humanity: Opportunities, Risks, and Implications for Ethics and Policy (2021) sind nun Beiträge international renommierter Wissenschaftler - mit einem Geleitwort von Papst Franziskus - im Springer-Verlag erschienen Zu den Autoren zählen u.a. Joachim von Braun, Direktor einer Abteilung des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn sowie Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Wolf Joachim Singer, langjähriger Direktor der Abteilung für Neurophysiologie am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt, der deutsche Philosoph Markus Gabriel (Universität Bonn), die britische Soziologin Margareth S. Archer (Universität Warwick), der Neurowissenschaftler Stanislas Dehaene vom Collège de France uvm. Alle Beiträge sind als eBook (13.2.2021) https://doi.org/10.1007/978-3-030-54173-6 (261 Seiten) online frei zugänglich.
Im Juli 2020 hat die EU-Kommission ein Weißbuch für Künstliche Intelligenz (KI) veröffentlicht. Auch der Vatikan hat am Februar 2020 einen Ethik-Kodex zu künstlicher Intelligenz (Articifial Intelligence, AI)veröffentlicht. Darin sind mehrere Prinzipien aufgeführt, die eine Nutzung moderner digitaler Technologien zum Wohle der Menschheit gewährleisten sollen. So müssten KI-Systeme transparent, inklusiv, unparteiisch, zuverlässig und sicher sein, heißt es in dem sechs Seiten umfassenden Dokument. Zudem seien die Verantwortlichkeiten klar zu regeln und die privaten Daten der Nutzer zu schützen. Diese Prinzipien seien «die fundamentalen Elemente für gute Innovationen», so der Wortlaut des Textes.