Die gute Nachricht: Die Überlebensrate bei Krebserkrankungen in Europa hat sich seit den 1980er Jahren insgesamt verbessert. Fünf Jahre nach der Diagnose einer Krebserkrankung leben heute 52,5 Prozent der Patienten. Die schlechte: Es gibt große Unterschiede zwischen den europäischen Ländern. Dies zeigte die beim European Cancer Congress (ECC 2015) in Wien präsentierte EUROCARE-5-Studie. Vor allem in Osteuropa sind die Überlebensraten besonders niedrig, so das Ergebnis der im European Cancer Journal (2015: 51(15): 2099-2268) publizierten Datenanalyse.
EUROCARE 5 sammelt seit den späten 1990er Jahren über ein Netzwerk von über 100 Krebsregistern die Daten von Krebspatienten aus 30 europäischen Ländern. Die aktuelle Analyse umfasst 10 Millionen Patienten, die zwischen 1995 und 2007 diagnostiziert und bis mindestens 2008 weiter beobachtet worden sind. Untersucht wurden die Fünf-Jahres-Überlebensraten im Zeitraum 1999 bzw. 2000 bis 2007. Österreich liegt mit einer durchschnittlichen Fünf-Jahres-Überlebensrate von 56,7 Prozent im Spitzenfeld. Am höchsten war der Anteil in Island (57,6 Prozent), am niedrigsten in Bulgarien (39,2 Prozent) (vgl. Medscape, online, 29.9.2015). Sowohl Brustkrebs als auch Prostatakrebs und Hautkrebs weisen inzwischen eine Überlebensrate von durchschnittlich mehr als 80 Prozent auf.
Um die Ursachen für die Unterschiede genauer analysieren zu können, fehlen jedoch die Daten, da Krebsregister unterfinanziert und nicht einheitlich standardisiert geführt werden, beklagte Martine Piccart, Präsidentin der European CanCer Organisation (ECCO) der Freien Universität Brüssel. Studienleiterin Milena Sant und ihr Team der Fondazione IRCCS Instituto Nazionale dei Tumori in Mailand wiesen darauf hin, dass ein verbessertes Überleben ohne entsprechende Mittel für das Gesundheitssystem nicht möglich sei. „Über alle Krebserkrankungen hinweg zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen dem für das Gesundheitswesen aufgewendeten Geld und den Krebs-Überlebensraten“, so Sant.
Den am European Health Forum Gastein (EHFG) präsentierten Zahlen zufolge wurden im Jahr 2009 EU-weit 51 Milliarden Euro für Krebsbehandlungen ausgegeben, das waren 102 Euro/EU-Bürger. Die Unterschiede sind jedoch eklatant: In Bulgarien waren es nur 16 Euro pro Person gegenüber 184 Euro in Luxemburg. Es sei davon auszugehen, dass der Zugang zu Krebstherapie zukünftig noch herausfordernder wird, da die Bevölkerung älter wird, die Therapiekosten steigen und die Patienten höhere Ansprüche an die Gesundheitssysteme stellen (vgl. EHFG-Pressemitteilung, online, 2.10.2015).
Wenn ein Patient plötzlich zwei oder drei zielgerichtete Therapien brauche, schießt der Preis schnell auf 20.000 Euro pro Monat. Ist das gerechtfertigt? „Die Grundfrage ist politisch: Wie viel Geld ist dem Staat das Menschenleben eines Bürgers wert?“, sagt Severin Schwan, Geschäftsführer des Roche-Konzerns im Standard (online, 4.10.2015). Erst kürzlich wurde in den USA eine Debatte über neue Krebsmedikamente - Nutzen versus hohe Kosten - geführt und eine transparente Beurteilung der Kosten von Krebsmedikamenten gefordert (vgl. IMABE 2015: Public Health: Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Therapien müssen in Proportion stehen).