In den vergangenen zehn Jahren ist in Österreich die Zahl der Frauen, die sich Eizellen entnehmen ließen, um auf künstlichem Wege zu einem Kind zu kommen, um 30 Prozent gestiegen. Im Vorjahr waren es rund 5.900 Frauen. Anlass genug für die Österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Anfang Oktober bei ihrer Jahrestagung in Graz laut über Zukunftsstrategien in der Branche nachzudenken. Wichtiges Anliegen der Reproduktionsmedizin sei die Eindämmung der hohen Raten an Mehrlingsschwangerschaften, die mit der Einpflanzung mehrerer befruchteter Eizellen in den Organismus der Frau einhergehen, hieß es.
Das Problem ist bekannt: Um die (immer noch geringe) Erfolgsrate des belastenden Verfahrens zu erhöhen, werden oft mehrere Embryonen eingesetzt. In den vergangenen Jahren sei intensiv daran gearbeitet worden, dieses Problem besser in den Griff zu bekommen. Statt etwa bei Drillingen selektiv abzutreiben (Fetozid), solle nun ein neuer „vielversprechender Ansatz“, der sogenannte "Elective Single Embryo Transfer" angewandt werden. Das klingt zwar positiv, ist aber nicht weniger selektiv. Die Embryonen werden dabei fünf bis sechs Tage in der Kultur gehalten. Dadurch seien sie weiter entwickelt und aufgrund von morphologischen und biochemischen Markern könne der „am vitalsten erscheinende Embryo“ ausgewählt werden, so die Mediziner. Die elektive Methode erfordere jedoch ein „Überdenken der legistischen Situation“, sagt die OEGRM. Österreich müsse nämlich die Präimplantationsdiagnostik, eine genetische Untersuchung des Embryos, gesetzlich zulassen, damit der „Fitteste“ herausgefiltert werden kann. Dies ist derzeit verboten. Was die Reproduktionsmediziner nicht sagten: Die PID kostet zwischen 2500 und 3500 Euro, ein neuer Markt also in der heimischen IVF-Industrie. Das Wunschdenken geht noch weiter: In Österreich sollte der Einsatz von Keimzellen Dritter (Spendersamen, Spendereizellen) gesetzlich zulässig werden, so die OEGRM.
Kritisch anzumerken ist u. a., dass der „positive“ Effekt der Selektion von Embryonen wissenschaftlich nicht haltbar ist. Die Behauptung, die Schwangerschaftsrate und die Zahl gesund geborener Kinder würden sich durch den Screening-Test erhöhen, wurde erst 2007 von holländischen Reproduktionsmedizinern in Frage gestellt. Statt zu steigen, sank die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft durch den Screening-Test sogar um 30 Prozent (NEJM 2007; 357: 9-17). Der Druck der Reproduktionsmediziner, immer liberalere Verfahren zuzulassen, ist angesichts der ernüchternden Bilanz der IVF nach 30 Jahren nachvollziehbar. In den vergangenen sieben Jahren wurden in Österreich rund 36.100 IVF-Versuche durchgeführt. Weniger als ein Drittel der Frauen wurde tatsächlich schwanger. Im Jahr 2006 lag die Schwangerschaftsrate zwar schon bei 31 Prozent, doch weniger als ein Viertel dieser Schwangerschaften endet tatsächlich mit der Geburt eines Kindes.