Die Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik sind in den vergangenen 20 Jahren rasant gestiegen - und damit der Druck, das Angebot auch in Anspruch zu nehmen. 80 Prozent der Schwangeren lassen mittlerweile eine über die vorgeschriebenen Ultraschalluntersuchungen hinausgehende pränatale Diagnostik vornehmen. Aufgrund zunehmend eugenischer Tendenzen werden vorgeburtliche Untersuchungen aber inzwischen auch zwiespältig beurteilt. Worin bestehen heute Logik, Praxis und Folgen vorgeburtlicher Diagnostik? Dieser Frage gehen Experten verschiedenster Fachrichtung in der kommenden Ausgabe von Imago Hominis mit dem Schwerpunktthema „Pränatale Diagnostik“ nach.
Jeanne Nicklas-Faust (Ärztin und Bundesgeschäftsführerin der Bundesvereinigung Lebenshilfe) stellt die Ergebnisse einer repräsentativen Studie vor, die sowohl das Schwangerschaftserleben von Frauen in Deutschland untersuchte als auch Aussagen zur Inanspruchnahme der Pränataldiagnostik (PND) ermöglicht. Erschreckend ist festzustellen, wie stark die Tests in Anspruch genommen werden - und wie wenig die Betroffenen über die Tests und deren Aussagekraft eigentlich wissen.
Der Sozialethiker Manfred Spieker (Universität Osnabrück) zeigt, wie sich schleichend der Bedeutungshorizont des Begriffs Verantwortung wandelt. Angesichts eines „vermeidbaren“ kranken Kindes schlägt Verantwortung um in die Pflicht, nur noch „qualitätsgesicherte“, gesunde Kinder zur Welt zu bringen.
Die medizinischen Aspekte der Pränataldiagnostik in ihren Möglichkeiten und Grenzen werden von Karl Radner (Facharzt für Frauenheilkunde und Gynäkologie, Wien) und dem Mediziner Walter Rella umfassend erörtert. Sie stellen zahlreiche wissenschaftliche Studien vor und beleuchten die selten gestellte Frage, inwieweit pränatale Untersuchungen wie etwa zu häufiger Ultraschall selbst schon schädigende Nebenwirkungen auf das ungeborene Kind haben können.
Der Moraltheologe Josef Spindelböck (Philosophisch-Theologische Hochschule St. Pölten) erörtert das ethische Dilemma, in das Ärzte geraten können, wenn sie vermuten müssen, dass die Information über eine etwaige Risikoschwangerschaft eine Abtreibung zur Folge haben wird. Welche Mittel stehen zur Verfügung, um einerseits umfassend über die Fakten zu informieren und andererseits die Frau in ihrer jeweiligen Situation zu unterstützen?
Ist nicht im Grunde jedes Leben eine „Zumutung“? In einem religionsphilosophischen Nachdenken geht Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (EUPHRat - Europäisches Institut für Philosophie und Religion, Heiligenkreuz) der Frage nach der Zumutbarkeit des Lebens nach. Dieses als Gabe anzunehmen widerspreche dem modernen Denken, zu dem die Planbarkeit des Lebens und die kontrollierte Fortpflanzung gehören, wodurch sich ethische Konflikte ergeben.
Anhand des jüngst auf den Markt gekommenen Bluttest zur Erkennung von Trisomie 21-Kindern (PraenaTest) zeigt Erika Feyerabend (BioSkop: Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften und ihrer Technologien) die Hintergründe auf, wie es in der Schwangerenvorsorge - und im gesamten Gesundheitswesen - auch um Marktpotentiale, Forschungsinteressen, Patente und sehr viel Geld geht.