„Hippokrates heute II“ lautet der Titel der aktuellen Ausgabe des Journals Imago Hominis. Dabei kommen auch Fragestellungen zur Sprache, die auf den ersten Blick vielleicht nicht unbedingt als „hippokratisch“ rezipiert werden.
Der Ethiker und Mediziner Giovanni Maio (Universität Freiburg i. Breisgau) plädiert für eine „Kunst des Maßes in der Medizin“. Im Gegensatz zur antiken Auffassung von Krankheit als dem Verlust der Ausgewogenheit (Dyskrasie) herrsche heute eine mechanistische Vorstellung von Krankheit vor, die die Grenzen der Machbarkeit übersehe. Werner Waldhäusl (Medizinische Universität Wien) beschäftigt sich mit dem Dilemma einer ganzheitlichen Sicht des Menschen einerseits und anderseits mit der unausweichlichen Notwendigkeit der Spezialisierung der modernen Medizin. Johannes Bonelli (IMABE, Wien) beleuchtet anhand von Themen wie Euthanasie, Schwangerschaftsabbruch, Verhütung und In-Vitro-Fertilisation Fragen des Schutzes des menschlichen Lebens, der als das herausragende Leitmotiv des ärztlichen Berufsethos hippokratischer Prägung gilt.
Welche Eigenschaften im hippokratischen Sinne kennzeichnen heute noch das ärztliche Selbstverständnis? Marion Stoll (IMABE, Wien) zeichnet in ihrem Beitrag das „Tugendprofil des Arztes nach Hippokrates“ nach. Der Medizinhistoriker Karl-Heinz Leven (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) legt in seinem Artikel „Der Hippokratische Eid: Tradition, Mythos, Fiktion“ die Sichtweise der hippokratischen Skeptiker dar.
Im Vergleich mit den großen naturwissenschaftlichen Fächern der Medizin wird offenbar der Ausbildung auf dem Gebiet Ethik nur eine eher geringe Bedeutung zugemessen. Das zeigt die in Imago Hominis publizierte Originalstudie von Martin W. Schnell et al. (Universität Witten/Herdecke) anhand eines Fallbeispiels aus der Pädiatrie. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im ethischen Urteilsvermögen der Studierenden kaum eine Entwicklung festzustellen ist.
Die Pharmazeutin und Bioethikerin Margit Spatzenegger (Wien) liefert einen profunden Einblick in die ethische Debatte und die politisch widersprüchlichen EU-Regelungen, bei denen der Schutz der Tiere in der vorklinischen Forschung höher bewertet wird als der Schutz des menschlichen Embryos.