Altern in Würde: Was bedeutet das? Welche Richtung ist einzuschlagen, wenn ein Patient nicht mehr der Mensch ist, den man in seiner Lebensmitte kennen gelernt hat? Was bedeutet Autonomie im letzten Lebensabschnitt? In der kommenden Ausgabe der interdisziplinären Fachzeitschrift Imago Hominis widmen sich namhafte Autoren diesem Thema. Wolfgang Kristoferitsch (Vorstand der Neurologischen Abteilung des SMZ-Ost-Donauspitals in Wien) behandelt das „Altern in Würde aus der Sicht alter Menschen“ und erläutert vier praktische Bereiche, in denen sich die Betroffenen mehr Achtung wünschen: in Fragen der Intimpflege, dem Verhalten der BetreuerInnen, der Pflegekultur („Stil“ der Anstalt) und Autonomie, sowie bei Maßnahmen mit inhärenter Gefährdung der Würde. Menschen sollen nicht zu Pflegeempfängern degradiert, sondern in ihren Ressourcen, Gewohnheiten und Vorlieben einzeln erkannt werden. Wie dies im Rahmen der Pflege geschehen kann, erläutern die beiden Pflegeexpertinnen Brigitte Leicht und Ingrid Fischer (SMZ-Ost Wien).
Unter „gutem Altern“ versteht man in unserer Kultur meist eine Form des Älterwerdens, die in möglichst vielen Bereichen möglichst lange möglichst viel an Autonomie erhalten lässt. Dass das alleine nicht genügt, macht der Philosoph und Theologe Clemens Sedmak (Universität Salzburg/Kings College London) klar. Der Begriff der „Autonomie“ muss neu überdacht werden. Im Alter ist die Zahl verfügbarer Wahloptionen naturgemäß reduzierter. Dafür spielt die Vertiefung in Lebensbindungen und -entscheidungen eine umso größere Rolle. Gerade im Alter, so Sedmak, zeige sich Autonomie eher im Sinne von „Selbsthaftigkeit“ als von „Unabhängigkeit“.
Aus medizinischer Sicht überrascht es, dass die die Multimorbidität alter Menschen kaum Gegenstand von Studien ist - mit schweren Folgen, wie der Internist und klinische Pharmakologe Johannes Bonelli (IMABE, Wien) am Phänomen der „Verschreibungskaskade“ aufzeigt. Gerade bei älteren Menschen werden häufig durch Medikamente Nebenwirkungen hervorgerufen, die fälschlicherweise als krankheitsbezogen interpretiert und mit weiteren Medikamenten behandelt werden.
Für Johannes Rudda (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger) muss auf die begrenzte Verfügbarkeit der finanziellen Ressourcen geachtet werden, mittels derer auch ein Altern in Würde gesichert werden kann. Hier ist eine gesamtgesellschaftliche Solidarität einzufordern, die für Rationalisierungen offen ist und Rationierungen abwehrt.