Laut WHO zählt Demenz zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Sie stellt in den nächsten Jahrzehnten eine große Herausforderung für Gesellschaft und Pflegewesen dar. In Österreich gibt es laut Demenzbericht 2014 rund 130.000 demenzkranke Menschen. Im Durchschnitt kommen somit rund 1.500 Menschen mit Demenz auf 100.000 Einwohner. Weil generell die Bevölkerung altert, dürfte sich dieser Anteil auch in Österreich bis zum Jahr 2050 verdoppeln.
Rund 80.000 Menschen leiden an einer mittelschweren oder schweren Demenz, etwa zwei Drittel an Morbus Alzheimer. Menschen mit Demenz können ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen, wenn ihre Umgebung darauf eingestellt ist. Dennoch ist sie häufig mit Ängsten und Tabus besetzt. Der Umgang mit Menschen mit Demenz stellt an Angehörige, behandelnde Ärzte, Pflegepersonen zahlreiche ethische Herausforderungen, der sich die kommende Ausgabe von Imago Hominis schwerpunktmäßig widmet. Ein zweiter Band, in dem Fragen aus der Praxis behandelt werden, ist für 2016 geplant.
Der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio entwickelt in seinem Beitrag, basierend auf einer Phänomenologie der Demenz, eine Ethik der Zuwendung. Menschen, die an Demenz erkrankt sind, machen auf eine eindrückliche Weise deutlich, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die Sorge um den Anderen wieder neu erlernt werden muss.
Der Heidelberger Gerontologe Andreas Kruse analysiert die erhöhte Verletzlichkeit bei Menschen mit Demenz. Er fragt, inwieweit Gesellschaft und Kultur demenzkranke Menschen dabei unterstützen können, mit der erhöhten (kognitiven, körperlichen und emotionalen) Verletzlichkeit zu leben. Das vorherrschende Menschenbild, das vor allem kognitive Leistungen betont, hingegen die anderen Qualitäten der Person weitgehend vernachlässigt, müsse kritisch hinterfragt werden.
Die Erkenntnis, an einer Erkrankung zu leiden, die unter dem kompletten Verlust der körperlichen und geistigen Autonomie zum Tode führt, kann verständlicherweise mit großen psychischen Belastungen verbunden sein. Der Wiener Neurologe Wolfgang Kristoferitsch erläutert in seinem Beitrag die spezifischen kommunikativen Anforderungen, die bei der Übermittlung der Diagnose Demenz gefordert sind.
Jene Personen, die sich um Menschen mit Demenz sorgen, brauchen mehr Unterstützung, um mit den ethischen Herausforderungen, die diese Sorge mit sich bringt, umzugehen. Die ist der zentrale Ansatz der auf Palliative Care spezialisierten Ärztin Katharina Heimerl. Marina Kojer, Begründerin der Fachrichtung Palliative Geriatrie, zeigt in ihrem Beitrag eindrucksvoll die Wege der Kommunikation mit fortgeschritten Demenzkranken auf.
Imago-Hominis 4/2015 mit dem Schwerpunkt Demenz als ethische Herausforderung, Band I