In Deutschland ist eine heftige Debatte über die Wirkungsweise der sogenannten „Pille danach“ aufgeflammt (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 4.2.2013). Anlass war die Frage, ob katholische Krankenhäuser die „Pille danach“ an Vergewaltigungsopfer abgeben dürfen. Dazu müsste geklärt sein, ob diese Präparate nur antikonzeptiv oder auch nidationshemmend wirken, was einen erheblichen moralischen Unterschied ausmacht.
Aus diesem Grund hat das Wiener Wissenschaftsinstitut IMABE nun eine Stellungnahme (online, 13.2.2013) veröffentlicht gemeinsam mit einer Aktualisierung der Erkenntnisse zur Wirkweise der „Pille danach“ zu Studien bis zum Jahr 2013 (online, 13.2.2013). „Es ist richtig, dass die Pille danach verschiedene Wirkungsweisen hat. Dies hängt davon ab, an welchem Tag des Zyklus das Präparat eingenommen wurde“, erklärt der Internist und klinische Pharmakologe, Univ.-Prof. Dr. Johannes Bonelli, Direktor von IMABE. So ist die „Pille danach“ in mehr als 90 Prozent der Fälle wirkungslos, weil zum Zeitpunkt der Einnahme aufgrund des Zyklus der Frau ohnehin keine Schwangerschaft möglich ist.
In der von IMABE verfassten Aktualisierung der Erkenntnisse zur Wirkweise der „Pille danach“ wird festgestellt, dass die „Pille danach“, wenn sie bis zirka 2 Tage vor dem Eisprung gegeben wird, ausschließlich antikonzeptiv wirkt, kurz vor der Ovulation und knapp danach wirkt sie nidationshemmend und damit als Abtreibungsmittel, nach der Ovulation verabreicht wird die „Pille danach“ zunehmend unwirksam oder sogar schwangerschaftsschützend. Der Anteil der Anwendungsfälle der „Pille danach“ bei Vergewaltigungsopfern, in denen sie abtreibend wirkt, dürfte nach wissenschaftlich fundierten Schätzungen bei maximal 2,5 Prozent liegen.
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hatte aus gegebenem Anlass die ethischen Richtlinien für eine Abgabe der „Pille danach“ festgehalten. In einer Erklärung (online, 31.1.2013) stellte Meisner klar, dass die Einnahme bzw. die Verabreichung eines Medikaments, das frühabtreibend wirkt, moralisch unerlaubt ist, da es sich dabei um unerlaubte Tötung menschlichen Lebens handle. Wenn eine „Pille danach“ dagegen die Befruchtung der Eizelle verhindert, ist dies im Fall einer Vergewaltigung sittlich erlaubt. IMABE begrüßt die klare und eindeutige Stellungnahme des Kölner Kardinals.
Aus ethischer Sicht und auch ärztlicher Sorgfaltspflicht ergibt sich, dass sich jemand, der die Absicht hat, die „Pille danach“ nur zu verabreichen, wenn sie die Ovulation verhindert, nicht aber wenn sie abtreibend wirkt, mit Hilfe medizinischer Methoden vergewissern muss, dass sich die Frau im entsprechenden Stadium des Zyklus befindet. Ab zwei Tage vor dem Eisprung (im Fall von Ulipristal einen Tag davor), sollte die „Pille danach“ wegen ihrer nidationshemmenden Wirkung nicht mehr verschrieben werden.
So eine Untersuchung könne relativ unaufwändig vorgenommen werden, z. B. mit Hilfe der Vaginalsonographie, die zeigt, ob ein Follikel am Ovar vorhanden ist. Auch anhand der Größe und Morphologie mit zusätzlicher Beurteilung des Endometriums könne ermittelt werden, wann der Eisprung stattfinden wird. Falls man dies mit einem LH Schnelltest ergänze, könne man mit großer Sicherheit erkennen, ob der Eisprung kurz bevor steht oder ob er erst in 2 oder mehr Tagen zu erwarten ist, heißt es in den aktualisierten Erkenntnissen.
„Mit dieser Lösung sollte jeder Arzt einverstanden sein, der seiner ärztlichen Sorgfaltspflicht nachkommt“, hält Bonelli auch als Mediziner fest. Für katholische Krankenhäuser wäre damit ein gangbarer Weg geebnet - und sie wären Vorreiter, da Frauen sich darauf verlassen könnten, nicht unnötig ein hochdosiertes Hormonpräparat verschrieben zu bekommen. Da die „Pille danach“ in rund 90 Prozent der Fälle wirkungslos ist, weil zum Zeitpunkt der Einnahme aufgrund des Zyklus der Frau ohnehin keine Schwangerschaft möglich ist, wäre eine Vorabuntersuchung in jedem Fall angezeigt, so der IMABE-Direktor.
Auch für jene, die eine nidationshemmende Wirkung der „Pille danach“ abstreiten, wäre die Diagnostik hilfreich, da laut ihrem Dafürhalten nach Überschreitung der 48-Stundenfrist (bei Levonorgestrel-Präparaten wie Vikela®) bzw. der 24-Stundenfrist (bei Ulipristalacetat-Präparaten wie EllaOne®) das Präparat ohnehin unwirksam ist. „Kein Arzt, der seiner Sorgfaltspflicht nachkommt, wird mit Absicht ein unwirksames Präparat verschreiben wollen“, heißt es in der IMABE-Stellungnahme.