Die oberste Regulierungsbehörde für Fortpflanzungsmedizin in Großbritannien, die Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA), hat der Regierung empfohlen, ein Verfahren der künstlichen Befruchtung zu erlauben, bei dem das Kind drei genetische Elternteile hat. Die Methode, die eine Keimbahnmanipulation mit einschließt, soll es ermöglichen, dass Paaren mit einer mitchondrialen Erkrankung „die Chance auf ein gesundes Kind“ gegeben wird, so die HFEA-Vorsitzende Lisa Jardine (vgl. Pressemitteilung, online 20. 3. 2013).
Eine Reihe von Erbkrankheiten, sogenannte Mitochondriopathien, gehen auf Gendefekte der im Plasma in der Eizelle befindlichen Mitochondrien zurück. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa eines von 5000 bis 10.000 Neugeborenen an einer dieser Krankheiten leidet. Britische Wissenschaftler hatten im Jahr 2005 erstmals die Genehmigung für Versuche an Embryonen mit einer mitochondrialen Erkrankung erhalten. Im Jahr 2010 gelang es Forschern der Universität Newcastle, das Erbgut des Zellkerns eines Embryos (entstanden durch das männliche Sperma und die Eizelle einer Frau mit bisher unheilbarer Mitochondriopathie) in die entkernte Eizelle einer zweiten Frau (mit gesunden Mitochondrien) einzusetzen. Rund 40 Prozent der so erzeugten Embryonen entwickelten sich weiter, wurden aber später im Rahmen der Forschung getötet. Sie hatten drei genetische Elternteile: Zwei, deren Erbgut im Kern steckt, und eine weitere Mutter, von der die Zellhülle mitsamt den DNA-Anteilen in den Mitochondrien stammt.
Die HFEA beruft sich in ihrer Empfehlung unter anderem auf eine Online-Befragung, wonach es eine „breite Unterstützung“ in der Bevölkerung für dieses Verfahren gebe. Die Daten seien irreführend und offenbar bereits auf ein gewünschtes Ergebnis hin interpretiert, kritisiert dagegen das in Kalifornien ansässige Center for Genetics and Society. Ein genauerer Blick auf die Online-Umfrage zeige nämlich, dass die Mehrheit der Befragten im Grunde gegen die Herstellung von Drei-Elternteile-Kindern sei (vgl. online 21. 3. 2013).
Ethisch würde die Einführung der Erbgutmanipulation einen enormen Rückschritt bedeuten. In einem Brief an die Londoner Times (online 20. 3. 2013, Volltext) sprachen sich mehr als 30 namhafte Bioethiker aus der ganzen Welt gegen eine Mitochondrien-Manipulation aus. „Es wäre das erste Mal, dass vorsätzlich genetische Veränderungen von Kindern und deren Nachkommen ausdrücklich zugelassen würden. Damit wäre das Tor für weitere genetische Veränderungen von Menschen mit unabsehbaren Folgen geöffnet“, warnen die Ethiker.
Sie erinnern, dass jegliche Manipulation der Keimbahn zum Zweck der Fortpflanzung in zahlreichen internationalen Abkommen, die auch Großbritannien unterzeichnet hat, untersagt wurde. Die Wissenschaftler fordern die britische Regierung auf, ihre Verantwortung für die Völkergemeinschaft wahrzunehmen und nicht im Alleingang einen „schwerwiegenden Präzedenzfall zu schaffen“. Hinzu komme das Problem der Eizellenspende und der dadurch wachsenden Ausbeutung von Frauen. Ein US-Forscherteam hatte im Oktober 2012 in Nature (doi: 10.1038/nature11647) von ähnlichen Exprimenten berichtet: Zur Herstellung von 13 keimbahnmanipulierten Embryonen hatten sie insgesamt 106 Eizellen von Frauen benötigt.