„Nur in kranken Gesellschaften sterben die Menschen gesund.“ Mit dieser Warnung stellte der deutsche Wissenschaftsjournalist und Buchautor Stefan Rehder im Rahmen des Wiener Bioethik-Clubs (IMABE) sein neues Buch „Die Todesengel. Euthanasie auf dem Vormarsch“ vor, berichtet Kathpress (online, 05. 05. 2009). Rehder analysiert in seinem Buch u. a. die Situation in den Niederlanden und Belgien, die europaweit die liberalsten Gesetzgebungen zur Euthanasie haben, und kommt zu erschreckenden Ergebnissen: Zwar werde in den betreffenden Ländern von Intellektuellen die „totale Autonomie des Individuums“ gefeiert, doch „so fremdbestimmt waren wir noch nie“, kritisierte Rehder in Wien.
Statt mehr Transparenz und Kontrolle zeigte eine offiziell von der niederländischen Regierung durchgeführte anonyme Umfrage unter Ärzten im Jahr 2001, dass diese sich nicht an die auferlegten Kontrollregelungen hielten: In 25 Prozent der Fälle hatten die Ärzte Patienten getötet, ohne dass diese dezidiert darum gebeten hatten. Als Gründe für ihre Entscheidung gaben die Ärzte oft „geringe Lebensqualität“ oder „unerträgliches Leiden“ an. Damit sei in den Niederlanden bereits Realität, dass Ärzte entscheiden würden, was als „unerträgliches Leiden“ gilt. Rehder: „Aus der Tötung auf Verlangen wurde die Tötung ohne Verlangen.“ Nur 54 Prozent aller Fälle aktiver Sterbehilfe würden überhaupt gemeldet.
Der Publizist unterstrich bei seinem Vortrag auch, dass die Frage der „ökonomischen Entlastung des Gesundheitssystems“ in der Euthanasie-Debatte zunehmend eine Rolle spielen werde. Im Jahr 2050 kämen auf 100 Erwerbstätige 78 Pensionisten. Hinter den verführerischen Argumenten eines „selbstbestimmten und schmerzfreien Todes“ stünden deshalb auch handfeste Interessen, nämlich das Ziel, ein kostensparendes „sozialverträgliches Frühableben“ von alten und kranken Menschen gesellschaftlich akzeptabel zu machen, so Rehder.
Der moderne westliche Mensch habe die „Kunst des Sterbens“ verlernt. Rehder zeigte sich überzeugt, dass der Angst vor einem „unwürdigen“ Tod durch den flächendeckenden Ausbau von Palliativmedizin und Hospizversorgung wirksam begegnet werden könne. Namhafte Experten sehen das ebenso: Anlässlich des 11. Kongresses der Europäischen Gesellschaft für Palliativmedizin und pflege (EAPC) in Wien (7. bis 10. Mai 2009) wurde eine Studie aus dem Wiener Wilhelminenspital präsentiert. Von 770 palliativ betreuten Patienten äußerten nur zwei (0,25%) den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe. „Als sie gesehen haben, was Palliativmedizin leistet, verschwand auch dieser Wunsch“, so Kongresspräsident Hans-Georg Kress von der MedUni Wien. EAPC-Präsident Lukas Radbruch stellte klar, dass aus Sicht der ärztlichen „Behandlungspraxis, aber auch aus Motivstudien“ eine „Legalisierung der Euthanasie eindeutig abzulehnen“ sei (Der Standard, online 07. 05. 2009).