Sechs ambulante „Spezialistenteams“ sollen in den Niederlanden vom 1. März 2012 an „Sterbehilfe“ leisten. Wie die Niederländische Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende (NVVE) fordert, sollen die jeweils aus einem Arzt und einem Krankenpfleger bestehenden Teams Betroffene zu Hause aufsuchen und dort die Tötung durchführen. Grund für die Einführung der ambulanten Teams sei, dass immer wieder Menschen mit Todeswunsch Schwierigkeiten hätten, einen dazu bereiten Arzt zu finden, berichtet die deutsche Ärzte Zeitung (online 9.2.2012).
Das ambulante Spezialistenteam führt vor der Tötung zu Hause ein sogenanntes „Screening“, bestehend aus mehreren Gesprächen zwischen den Ärzten und Pflegern sowie möglicherweise dem Hausarzt des Patienten durch, wobei geprüft werden soll ob es sich um eine ausweglose, untragbare Leidenssituation für die jeweilige Person handelt. Danach wird jeder Fall durch eine Kommission geprüft. Die Zahl der Sterbehilfefälle in den Niederlanden ist stark angestiegen. Laut Bericht der Aufsichtsbehörde seien 2010 3.136 Fälle von Euthanasie gemeldet worden - um 19 Prozent mehr als im Jahr 2009.
Ergänzend zu den ambulanten Besuchen soll im Laufe des Jahres auch eine „Klinik zur Lebensbeendigung“ in Den Haag durch die NVVE errichtet werden. Die NVVE schätzt, dass jährlich rund 1.000 Patienten die Klinik in Anspruch nehmen werden. Dabei handle es sich vor allem um Krebspatienten im Endstadium, chronisch psychisch Kranke und demente Menschen.
Niederländische Ärzte fürchten, dass die geplanten ambulanten Sterbehilfe-Teams unabsehbare Folgen für das Arzt-Patienten-Verhältnis haben könnten. "Wir halten es für problematisch, dass in diesen Fällen die Beziehung zwischen Arzt und Patient ausschließlich auf die Sterbehilfe konzentriert ist", sagt Eric van Wijlick von der Königlichen Niederländischen Ärztevereinigung (KNMG). Die KNMG ist die größte Ärzteorganisation in den Niederlanden. Sie vertritt die Interessen von mehr als 53.000 Ärzten und Studierenden in ethischen, rechtlichen und Qualitäts-Fragen.
Scharfe Kritik kommt auch aus Deutschland: Es dürfe kein gesellschaftliches Klima entstehen, in dem Sterbehilfe für Menschen, die Angst vor körperlichen Schmerzen, seelischen Nöten oder Vereinsamung haben, ein Mittel der Wahl sein, sagt der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke (Deutsches Ärzteblatt, online 7.2. 2012). „Es bleibt unsere tiefe Überzeugung, dass das Töten nicht ins Handwerkszeug von Ärztinnen und Ärzten gehört“, sagte Henke. Gerade die Tatsache, dass die betreuenden Hausärzte die Euthanasie verweigern, unterstreiche die Fragwürdigkeit der neuen Initiative, betonte Raymond Voltz, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. "Wenn ein Hausarzt, der den Patienten gut kennt, die Sterbehilfe ablehnt und auch keinen Kollegen bittet, sie zu übernehmen, wird er seine Gründe haben."