Das EU-Parlament hat auf Betreiben von Sozialdemokraten, Kommunisten und Liberalen den sogenannten Trakatellis-Bericht gebilligt (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online 23. 04. 2009). In dem Papier, benannt nach dem griechischen Parlamentarier und Berichterstatter Antonios Trakatellis, ist festgehalten, dass genetisch bedingte seltene Erkrankungen unter anderem durch die „Selektion“ von Embryonen „ausgemerzt“ werden sollen. Damit solle die Weitergabe von Erbkrankheiten verhindert werden. Der Änderungsantrag ist Teil eines Berichts über Maßnahmen der EU gegen seltene Krankheiten und die Unterstützung von betroffenen Patienten. Der Zusatz durch den Trakatellis-Bericht hatte scharfe Proteste von Politikern, Wissenschaftlern, Behindertenverbänden und Kirchen hervorgerufen. Es gelang jedoch nur, im Endpapier den Begriff „Ausmerzung“ abzuschwächen.
Der deutsche CSU-Europaabgeordnete Martin Kastler spricht von einer „moralischen Katastrophe“. Gerade am Umgang mit behindertem Leben zeige sich, wie menschlich unsere Gesellschaft sei. Der Rheinische Merkur (online, 30. 04. 2009) kritisiert, dass der Druck auf Eltern, sich gegen ein behindertes Kind zu entscheiden, nun weiter erhöht werde. Dabei bräuchten gerade sie besonders dringend Respekt und Solidarität. Es sei erschreckend, dass nach den Gräueltaten, die im Namen der Genetik im 20. Jahrhundert verübt worden sind, Parlamentarier noch immer meinen, Selektion staatlich veranlassen und damit die Humangenetik für politische Zielvorgaben in Dienst nehmen zu dürfen. Aufgabe von Politik könne immer nur sein, Menschen mit seltenen Krankheiten zu helfen, nicht aber das Leben von Menschen mit seltenen Krankheiten zu verhindern. Im Übrigen müsse eine genetische Veranlagung nicht immer zur Krankheitsausprägung führen.
In dem Änderungsantrag heißt es, die EU-Staaten sollten Bemühungen unterstützen, um Erbkrankheiten zu verhindern und zu beseitigen. Dazu solle es einerseits genetische Beratung für die Eltern geben. Zudem solle es unbeschadet bestehender nationaler Regelungen und stets auf freiwilliger Basis eine Auswahl gesunder Embryonen vor der Implantation geben können. Genau dieses Verfahren, die Präimplantationsdiagnose (PID), ist in Österreich wie auch in vielen anderen europäischen Ländern verboten. Der Druck, diese zu legalisieren, steigt. Entscheidend ist nun das Verhalten des EU-Rates. Die Position des Europaparlaments wird nur angehört, sie ist für den Ministerrat der 27 EU-Staaten nicht verbindlich.