Es ist ein Novum in der deutschen Rechtssprechung: Wie erst jetzt bekannt wurde, hat im Mai 2007 ein deutsches Gericht auf Antrag der Eltern erlaubt, die künstliche Ernährung bei ihrer vierjährigen Tochter, die sich im Wachkoma befand, einzustellen und damit ihren Tod herbeizuführen. Das OLG Hamm begründete seine Entscheidung (Oberlandesgericht Hamm 1 UF 78/07) mit dem Kindeswohl: Die Entscheidung der Eltern, sich weiterer lebenserhaltender Maßnahmen für das Kind zu verweigern, sei im Rahmen ihres verfassungsrechtlich geschützten Sorgerechts gerechtfertigt, erklärte das Gericht. In erster Instanz waren die Eltern mit ihrem Anliegen, die Klinikbehandlung zu beenden, noch gescheitert. Bevor es allerdings noch zu Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug kam, starb das Kind im Juni eines natürlichen Todes.
Laut Wolfgang Putz, Anwalt der Eltern, sei damit erstmals in der deutschen Rechtsprechung das Zulassen des Sterbens eines Kindes im Wachkoma als „einfühlbar“ und „dem Kindeswohl entsprechend“ bewertet worden, heißt in der Welt (online, 15. Oktober 2007).
Erst jüngst hatte sich die Römische Kongregation für die Glaubenslehre in einer Grundsatzentscheidung zum Umgang mit Wachkoma-Patienten geäußert (1. August 2007 sowie erläuternder Kommentar). Die Verabreichung von Nahrung und Wasser, auch auf künstlichen Wegen, sei „prinzipiell ein gewöhnliches und verhältnismäßiges Mittel der Lebenserhaltung“, keine Maßnahme zur Heilung. Eine Unterlassung würde „Leiden und Tod durch Verhungern und Verdursten“ bedeuten und damit letztlich Euthanasie, stellt die Kongregation fest.
In der Ärzteschaft Deutschlands wie Österreichs gilt die künstliche Ernährung nicht als Pflege-, sondern als Behandlungsmaßnahme. Ob jede Art künstlicher Ernährung (z. B. das Füttern mit dem Löffel) schon Therapie ist, fragt der Wiener Arzt Jan Stejskal kritisch in der kommenden Imago Hominis-Ausgabe. Entscheidend in der ethischen Beurteilung sei, dass der Entzug von Nahrung bei Wachkoma-Patienten auf die Herbeiführung eines (noch) nicht natürlicherweise eintretenden Todes abziele, argumentiert Stejskal. Bei Wachkoma-Patienten könne man definitiv nicht von sterbenden Patienten sprechen. Sterbend im biologischen Sinne ist ein Mensch dann, wenn es zu einem unwiderruflichen und fortschreitenden Prozess kommt, der erfahrungsgemäß in absehbarer Zeit zum Zusammenbrechen lebenswichtiger Organfunktionen und damit zum Tod führt.