Die Verordnung, wie die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland nun in der Praxis geregelt werden soll, beschert Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) scharfen Gegenwind (vgl. Bioethik aktuell, 6.8.2012). Der nun vorgelegte Entwurf für die lang erwartete Regelung stehe im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, kritisieren Politiker aller Parteien. Statt der gesetzlich festgelegten Begrenzung des Genchecks von Embryonen im Reagenzglas auf Ausnahmefälle sei nun im Verordnungsentwurf „eine Ausweitung der PID angelegt“, heißt es in dem an Bahr gerichteten Schreiben der Abgeordneten von CDU/CSU, Grünen, SPD und Linken, berichtet die Ärzte Zeitung (online 11.9.2012).
Das im Juli 2011 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz stellt rechtstechnisch die PID unter Strafe, lässt eine Untersuchung aber dann zu, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit oder schwere Schädigung des Embryos zu erwarten ist. Definiert werden diese unbestimmten Rechtsbegriffe nicht.
Die Abgeordneten kritisieren weiters, dass die Zahl der PID-Zentren nicht festgelegt sei, womit die Gefahr einer „ungewollten Leistungsausweitung“ entstünde. Zudem seien Qualitätsstandards fraglich, wenn viele Zentren nur hin und wieder eine PID durchführten. Bundesweit geht man nur von rund 200 Fällen pro Jahr aus. Würde man sich an die Vorgaben des Gesetzes halten, wäre eine kleine Anzahl von Zentren ausreichend.
Skeptisch beurteilt die Gruppe auch die Regelung, wonach die psychosoziale Beratung der Paare über die Folgen der PID in den reproduktionsmedizinischen Zentren selbst stattfinden soll. Das beratende Personal sei damit abhängig von „wirtschaftlichen Interessen“ der Einrichtung. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Diagnosen oder Erkrankungen, mit der eine PID gerechtfertigt wird, statistisch nicht erfasst werden sollen. Somit lasse sich eine schleichende Ausweitung des Indikationsspektrums nicht kontrollieren.
Ein Inkrafttreten der Verordnung ist für 2013 geplant. Zuvor muss der Bundesrat zustimmen. Doch die Gesundheitsminister von sechs Ländern haben bereits signalisiert, dass sie ihrer Landesregierung keine Zustimmung für eine unbegrenzte Zahl von PID-Zentren empfehlen werden. Aufgrund der fehlenden Rechtsverordnung darf die PID in Deutschland derzeit nicht durchgeführt werden.
„Für Österreich, in der die Vorab-Selektion von Embryonen noch verboten ist, ist das Beispiel Deutschland ein lehrreiches Stück“, gibt Susanne Kummer, stv. IMABE-Geschäftsführerin, zu Bedenken. „Eine Pandora-Büchse lässt sich nicht einfach nur kurz und nur ein paar Millimeter öffnen. Es gibt eben nicht ein bisschen Selektion, genauso wenig wie eine Zeugung auf Probe“, betont Kummer und ergänzt: „Die Frage ist, ob hiesige Verantwortliche die richtigen Konsequenzen aus der deutschen Problematik ziehen: nämlich die PID ausnahmslos zu verbieten.“