Eine ungenügende ärztliche Aufklärung besonders bei Schönheitsoperationen kann einen Anspruch auf staatliche Opferentschädigung nach sich ziehen. Das entschied das deutsche Bundessozialgericht (BSG) in Kassel, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 29. 04. 2010). Es erkannte damit erstmals einen ärztlichen Kunstfehler als Fall für das Opferentschädigungsgesetz an.
Eine 46-Jährige, stark übergewichtige Frau hatte sich Fett absaugen lassen. Der operierende Gynäkologe informierte sie nicht, dass der Eingriff wegen Vorerkrankungen an Herz, Lunge und Kreislauf mit erheblichen, möglicherweise tödlichen Risiken verbunden war. Er verschwieg auch, dass er zu dem Eingriff nicht befähigt war. Die Operation ließ zwei große Narben zurück, ob es andere dauerhafte Folgeschäden gibt, ist noch offen. Weil der Mediziner in mehr als 40 weiteren Fällen seiner Geldbörse den Vorrang vor der Gesundheit der Patientinnen gegeben hatte, war er schließlich im Jahr 2002 zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.
Strafrechtlich wird jede Operation, für die die Einwilligung „erschlichen“ wurde, als vorsätzliche Körperverletzung gewertet. Das BSG nahm den Streit zum Anlass, seine Rechtsprechung zum „tätlichen Angriff“ fortzuentwickeln. Danach führt eine unzureichende Aufklärung nicht immer zu einem Anspruch auf Opferentschädigung. Laut Gesetz hat Anspruch auf Entschädigung, wer Opfer eines „vorsätzlichen tätlichen Angriffs“ wurde. Voraussetzung sei zudem, dass der Eingriff „in keiner Weise dem Wohl des Patienten gedient hat“. Im Streitfall hatten die Gerichte festgestellt, der Gynäkologe habe allein aus finanziellen Motiven heraus gehandelt. Die Klägerin kann damit für die Folgeschäden der misslungenen Schönheitsoperation staatliche Opferentschädigung beanspruchen.