Viele Patienten mit unheilbarem Krebs in fortgeschrittenem Stadium glauben fälschlicherweise, dass eine Chemotherapie sie heilen kann. Die Wahl für oder gegen weitere Chemotherapien oder andere Optionen hängt entscheidend von den Informationen ab, die sie vom Arzt erhalten. Allein: Gerade in der Krebsbehandlung scheint sich hier eine Kluft aufzutun, wie eine aktuelle holländische Studie zeigt.
Das Team um Linda Brom vom Integraal Kankercentrum Nederland (IKNL) in Amsterdam begleitete 14 Patienten mit fortgeschrittenem metastasiertem Darmkrebs bzw. mit einem nicht heilbaren Hirntumor (Glioblastom) bei den Arztbesuchen und analysierte die Elemente des Shared-Decision-Making. Das Ergebnis der in Health Expect (doi:10.1111/hex.12434) publizierten Studie: Kein einziger Patient erhielt Informationen über alle Behandlungsmöglichkeiten, einschließlich der Option, keine Anti-Tumor-Behandlung durchzuführen. Eher wurde Zweit- oder Drittlinien-Chemotherapie als einzige Möglichkeit angeboten, berichtet das Forum Gesundheitspolitik (online, 16.3.2016).
Insgesamt neigten die Ärzte stark dazu, die Fortführung der Therapie nahezulegen oder explizit zu empfehlen. Manche Ärzte waren zwar gewillt, den Patienten die Entscheidung zu überlassen, hatten aber das Gefühl, dass diese sich überfordert fühlten. Shared-Decision-Making-Elemente in Gesprächen über Therapieentscheidungen waren kaum zu beobachten. Die Patienten konnten zwischen Durchführung und Nicht-Durchführung von einer weiteren tumorspezifischen Therapie nicht abwägen. Häufig befürchteten sie, die Entscheidung gegen eine Therapie zu bedauern, wenn die Erkrankung fortschreite. Der Gewinn an Lebenszeit wurde nicht explizit besprochen, so dass einige Patienten unrealistisch hohe Erwartungen in die Therapie setzten.
Manche Patienten wünschten sich ein Gespräch, in dem es mehr um ihre Person als nur um den Tumor ging. Auf die Erwartungen, Sorgen und Erfahrungen der Patienten im Rahmen des Entscheidungsprozesses gingen die Ärzte wenig oder überhaupt nicht ein - und wenn, dann eher auf den körperlichen Zustand als auf die emotionale Befindlichkeit.
Interessant war, dass die Patienten trotzdem überwiegend zufrieden waren mit dem Prozess der Entscheidung und ihrer Beteiligung daran. Sie gaben an, dass der Rat des Arztes mit ihren Wünschen übereinstimmte, und sie das letzte Wort gehabt hätten.
Mehr Patienten würden sich für eine höhere Lebensqualität gegenüber einer Lebensverlängerung entscheiden, wenn sie die Wahl hätten, zeigt eine Studie unter 194 präterminalen deutschen Krebspatienten (J Clin Oncol 32:5s, 2014 (suppl; abstr 9576)). Gemeinsam war fast allen Patienten (80%) der Befragung, dass sie mit ihren Ärzten über das Thema „vorausschauende Therapieplanung und Therapiebegrenzung“ hätten reden wollen. Nur bei 25 Prozent war jedoch bis zu diesem Zeitpunkt ein solches Gespräch erfolgt.
Ärzte fühlen sich bei End-of-life-Entscheidungsfindung häufig überfordert, das Gespräch kann für alle Beteiligten schwierig und unangenehm sein. Studienleiterin Eva Winkler vom Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen, Universitätsklinik/DKFZ Heidelberg fordert deshalb, dass „die individuelle und ausführliche Aufklärung über die Möglichkeiten der Palliativtherapie nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden soll“ (vgl. Medscape, online, 6.3.2016). Zur personalisierten Krebsmedizin gehöre auch die „persönliche Beratung zur Therapiebegrenzung am Lebensende“.