Laut einer aktuellen Studie begehen amerikanische Chirurgen jährlich mehr als 4.000 vermeidbare Behandlungsfehler (vgl. Pressemitteilung, online 19. 12. 2012). Studienleiter Marty Makary von der Johns Hopkins Universität nannte unter den häufigsten vermeidbaren Zwischenfällen Objekte, die im Körper des operierten Patienten vergessen wurden, falsche Behandlung sowie Operation an der falschen Seite. Zwischen 1990 und 2010 dürfte es mindestens 80.000 solcher Fehler gegeben haben, berichten die Forscher im Fachjournal Surgery (doi:10.1016/j.surg.2012.10.005). Manche Komplikationen während der Behandlung seien unvermeidbar, räumen die Autoren ein, doch die genannten Vorkommnisse seien sämtlich vermeidbar. Der Preis für die Gesundheitskosten ist hoch: Im Zeitraum von 20 Jahren gab es 9.744 Verurteilungen mit Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar. Bei 6,6 Prozent der Patienten trat der Tod ein, in 32,9 Prozent kam es zu bleibenden, in 59,2 Prozent zu temporären Schäden. Markary, selbst Chirurg, betont, dass man u. a. bessere Pläne mit höherer Verlässlichkeit brauche, um Behandlungsfehler zu vermeiden.
Doch nicht nur für Patienten kann ein Behandlungsfehler eine Katastrophe bedeuten. Auch Ärzte sind nach einem Vorfall großen emotionalen und psychischen Belastungen ausgesetzt: Sie werden zum „zweiten Opfer“, wie Albert Wu, Direktor des Center for Health Services and Outcomes Research von der Johns Hopkins Universität es ausdrückte. In einem im Deutschen Ärzteblatt (2012; 109(51-52): A 2574-8) veröffentlichten Tagungsbericht betont Wu, dass der Arzt als Verursacher oder als jener, der sich schuldig fühlt, Gefahr läuft, ohne emotionale Hilfestellung psychisch Schaden zu nehmen. Der Mediziner beobachtete selbst, wie ein junger Kollege, der einen Herzbeutelerguss nicht erkannte, von seinem ärztlichen Umfeld als inkompetent abgeurteilt wurde, was den Jungmediziner so verunsicherte und emotional stark belastete, dass er nur mit Mühe weiterarbeiten konnte.
Nicht nur deshalb müsse das Schweigen in den Krankenhäusern selbst gebrochen werden, meint Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer und Gründungsmitglied des Aktionsbündnisses Patientensicherheit. „Das oberste Ziel auf dem Weg zu mehr Patientensicherheit ist eine Fehlerkultur, in der der Arzt keine Angst hat zu sagen, wenn etwas schief- oder beinahe schiefgegangen ist“, sagt der Chirurg.
Einen umfassenden Überblick über die Problematik und die Zielsetzungen einer effektiven Fehlerkultur nach den Anforderungen heutiger moderner Gesundheitseinrichtungen finden sich in Imago Hominis 1/2011 mit dem Schwerpunkt Fehlerkultur in der Medizin.