Als Ziel für das Jahr 2010 hatte die UNO den universellen Zugang zur HIV-Prävention, Behandlung, Pflege und Unterstützung deklariert. Wie aus dem jüngsten Bericht der UNAIDS hervorgeht wurde trotz partieller Erfolge dieses Ziel klar verfehlt. Täglich infizieren sich 7.400 Personen mit HIV, rund 2,7 Millionen Menschen pro Jahr. In Europa hat sich die jährliche Neuinfektionsrate seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt und stieg von 44 auf 89 Fälle pro Million Einwohner. Angesichts dieser besorgniserregenden Daten sei es höchste Zeit, dass die UNO selbstkritisch ihre bisherigen Bekämpfungsstrategie der HIV-Epidemie überdenke, fordert IMABE-Mitarbeiter Jan Stejskal in seinem aktuellen Kommentar „Aids: Zwischen Mythos, Wahrheit und Fakten“ (in Imago Hominis 2010; 17: 94-98). Stejskal nimmt aus Anlass der Welt-Aids-Konferenz, die vom 18. bis 23. Juli in Wien stattfindet, Argumente und Hypothesen ins Visier, mit denen im Laufe der letzten zwei Dezennien eine Art Aids-Mythologie aufgebaut wurde. Weder Armut, Ausgrenzung, Prostitution oder mangelndes Geld für Aufklärungsprogramme seien das eigentliche Problem, Kondome seien nicht die Lösung, resümiert Stejskal. Zwar habe die antiretrovirale Behandlung wesentliche Fortschritte in der Senkung der Mortalitätsrate gebracht. Entscheidend für eine Eindämmung der Epidemie seien aber Schritte zur Änderung des Sexualverhaltens. Länder wie Uganda oder Kenia hätten gezeigt, dass erst eine Aufklärung, die zugleich einen verantwortungsvolleren Umgang mit Sexualität fördert, die Zahl der Neuinfektionen senken kann. Laut Studien fördere dagegen eine Propagierung von „Safer Sex“ zugleich ein risikoreicheres Sexualverhalten wie Promiskuität, Senkung der sexuellen Hemmschwelle und Zunahme riskanter sexueller Beziehungen.
Die Autoren des Buches „Affirming Love, Avoiding AIDS. What Africa Can Teach the West“ (The National Catholic Bioethics Center, Philadelphia, 2010) - Matthew Hanley, Fachberater für HIV/AIDS bei der Caritas in den USA und der Epidemiologe Jokin de Irala von der Universität Navarra in Spanien - bestätigen, dass aus Sicht der Präventionsmedizin die wirksamste Strategie in der Verhaltensänderung liege. Dabei sollte man die Menschen nicht unterschätzen: Warum meinten denn die Behörden, so fragen die Autoren, in Bezug auf Tabak, Cholesterin, Bewegungsarmut und exzessivem Alkoholkonsum das Verhalten ändern zu müssen, während dies beim Sexualverhalten, das mit einer schweren, potentiell tödlichen Krankheit im Zusammenhang stehe, nicht erforderlich sei? (vgl. Zenit, online 29. 06. 2010).
80 Prozent aller Neuinfektionen mit dem HI-Virus würden durch sexuelle Kontakte passieren, erklärte der Aids-Referent der Caritas Internationalis, Monsignore Robert Vitillo, kürzlich bei einer Pressekonferenz in Wien. Deshalb müsse die Präventionsarbeit auch in diesem Bereich ansetzen - ganzheitlich und mit einem besonderen Fokus auf die Stärkung der Würde der Frau. So habe Südafrika die weltweit höchste Vergewaltigungsrate, ein Großteil der sexuellen Begegnungen geschehe überhaupt ohne Zustimmung der Frauen. Wo Sex als Ware oder Mittel der Macht ausgeübt werde, habe es keinen Sinn, über Kondome als Heilmittel zu reden.