Das Tabakrauchen aus kulturethischer Sicht
Zusammenfassung
Tabakrauchen ist ein kulturelles Phänomen, das sich in den letzten Jahrhunderten weltweit verbreitet hat. Als Phänomen ist es anthropologisch (z. B. die Sucht), soziologisch (z. B. Vorbilder), ökonomisch (z. B. Strategie der Tabakindustrie) und politisch (Tabakbesteuerung) fest in der Kultur verankert. Medizinisch gesehen steht heute außer Zweifel, dass sich Tabakrauchen zur größten Dauerepidemie aller Zeiten entwickelt hat. Individualethisch muss man das Rauchen des abhängigen Menschen ablehnen, weil gegen die Tugend der Mäßigung und der Gerechtigkeit verstoßen wird. Aus kultur- und sozialethischer Perspektive hat das Tabakrauchen keine Existenzberechtigung mehr, und alle sollten daran mitwirken, das Phänomen aus unserer Kultur zu eliminieren.
Schlüsselwörter: Tabakrauchen, Tabakabhängigkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit, Kulturethik
Abstract
Tobacco smoking is a cultural phenomenon which has spread worldwide during the past centuries. As a phenomenon it is anthropologically (e. g. addiction), sociologically (e. g. imitative), economically (e. g. strategy of the Tobacco Industry), and politically (e. g. tobacco taxes) firmly anchored in our culture. Seen medically, there is no doubt that tobacco smoking has become the greatest continuous epidemic ever seen. With regard to the individuals addicted to smoking, their habit must be spurned since it is against the virtues of temperance and justice. In view of the cultural and social aspects of tobacco smoking, it no longer has the right to exist and everyone should do their utmost to have it eliminated in our culture.
Keywords: Tobacco Smoking, Tobacco Addiction, Temperance, Justice, Cultural Ethics
I. Die „Dauerepidemie" Tabakrauchen
Das Rauchen ist ein kulturelles Phänomen, das sich in den letzten drei Jahrhunderten in allen entwickelten Gesellschaften stark verfestigt hat. Tabak war noch im 18. Jahrhundert eine Luxusware. Es wurde daher als eine soziale Errungenschaft empfunden, dass im Laufe des 19. und 20. Jh. der Tabak zur Massenkonsumware geworden ist. Jahrhunderte lang war das Rauchen ein ausgesprochenes Männerverhalten geblieben, später, mit der Emanzipation, führte es auch zur Aufwertung der Weiblichkeit. Dadurch hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh. die volle Sozialisation des Tabakrauchens vollzogen. Tabakrauchen ist immer noch weitgehend positiv besetzt. Mit Rauchen werden Gefühle der Entspannung und des Genießens, ebenso Werte wie Freiheit und Selbstverwirklichung assoziiert. Es galt noch vor wenigen Jahren – und heute zum Teil immer noch – als ein Zeichen der Weltoffenheit und der Modernität. Von der Jugend wird jedenfalls das Rauchen als beliebtes Statussymbol des Übergangs zum Erwachsensein angesehen.
Die gesellschaftliche Akzeptanz des Tabaks steht im krassen Kontrast zu der Tatsache, dass jährlich rund 5 Mio. Menschen als Folge des Rauchens sterben. Der letzte Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO)1 belegt mit den jüngsten Statistiken die gleiche Botschaft, die bereits in den Berichten der letzten Jahre enthalten war: das Rauchen ist die größte „Epidemie" unserer Zeit.2 Die Gesundheitsschäden durch das Tabakrauchen, auch jene mit letaler Wirkung, steigen, und die Prognosen für die nächsten zwanzig Jahre sind sehr düster. Die Zahl der Menschen, ganz besonders der Männer, die wegen des Tabakrauchens sterben, wächst unaufhörlich. Im Jahr 2000 starben weltweit auf Grund des Rauchens 4,9 Mio. Menschen, davon 3,9 Mio. Männer, das sind 13,4% aller Todesfälle von Männern.3 Man könnte es auf die leichte Schulter nehmen und einfach sagen, einen Grund zum Sterben muss es ja geben, schließlich müssen wir alle sterben. Aber nicht alle Gründe haben die gleiche moralische Relevanz. Ein Raucher müsste heute genau wissen, dass er auf Grund seiner freien Entscheidung zu rauchen sein Leben im Durchschnitt um neun (Raucherinnen um acht) Jahre verkürzt und die Gesundheit der Menschen in seiner Umgebung schädigt. Raucher4 verkürzen ihr Leben freiwillig, ohne jede Nötigung, ohne Zwang oder schicksalhaftes Ereignis und verletzen de facto das Selbstbestimmungsrecht und das Lebensrecht von Passivrauchern. Die WHO hat berechnet, dass die durchschnittliche Anzahl der DALYs (disability adjusted life years), die die Raucher verlieren, bei den Männern 11 und bei den Frauen 10 Jahre beträgt. Dies entspricht einer verfrühten Sterblichkeit von rd. 9 (Männer) bzw. 8 Jahren (Frauen), dazu kommen noch durchschnittlich zwei Jahre schwerer Krankheit. Man kann also mit Sicherheit sagen, dass jährlich weltweit rd. 44 Mio. gesunde Lebensjahre durch das Rauchen vernichtet werden, und zwar rd. 36 Mio. männliche Lebensjahre (4 Mio. x 9 Jahre) und 8 Mio. weibliche (1 Mio. x 8).
Die negativen Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit sind vielfältig und seit Jahrzehnten bestens dokumentiert, vor allem bei Herz-, Lungen- und diversen Krebserkrankungen.5 Laufend werden darüber hinaus neue Krankheitsrisken entdeckt.6
Ein harmloses Tabakrauchen gibt es nicht. Heute steht außer Zweifel, dass auch das so genannte leichte Rauchen schädlich ist.7 Das „leichte" Rauchen wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Hierbei wird neben der Anzahl der Zigaretten auch die Tabakmenge und der Kohlenmonoxidgehalt der Ausatmungsluft herangezogen. Rezente Studien zeigen bei leichtem Rauchen ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.8 Schädlich ist auch das „leichte" Rauchen während der Schwangerschaft.9 Durch das hohe Suchtpotential von Nikotin kann schon ein geringer Zigarettenkonsum bei genetischer Disposition zu einer raschen physischen und psychischen Abhängigkeit führen. Besonders gefährdet sind Jugendliche, die den Hauptanteil an „leichten" Rauchern stellen. Offensichtlich gibt es keine harmlose Untergrenze des Rauchens. Die Zigarettenbezeichnung „light" ist eine gefährliche Irreführung der Konsumenten. Dass „light"-Zigaretten „gesünder" als „normale" Zigaretten sind, wird von Groman et al.10 widerlegt.
Auch das Passivrauchen hat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Gesundheit zur Folge, die meistens mit dem moralisch gravierenden Umstand einhergeht, dass sie durch Dritte verursacht wird. Dies haben die bisher fertiggestellten Untersuchungen, insbesondere eine des Australischen National Health & Medical Research Council aus dem Jahre 199711 eindeutig belegt.12
Zur Gewissheit, dass ein Raucherschaden eintritt
Die Schäden treten mit statistischer Gewissheit ein. Man kann den gesamten Schaden, den das Rauchen einem Kollektiv zufügt, sehr genau messen bzw. voraussagen. Aber man kann nicht genau prognostizieren, wann und welcher Schaden bei einer bestimmten Person eintreten wird. Die Schadenswirkung von Raucheinheiten ist eine multifaktorielle Funktion, zu der nur über die Statistik ein annähernder Zugang zu finden ist.
Die Risken des Rauchens sind allerdings nicht mit denen des Straßenverkehrs oder beim Sport zu vergleichen, wo nur einige wenige betroffen sind. Medizinisch gesehen verursacht das Rauchen auf jeden Fall einen Schaden, der je nach organischer Disposition, Diät, Lebensstil und Umwelt größer oder kleiner ausfallen kann.13 Die Raucher haben – siehe oben – eine bedeutend kürzere Lebenserwartung: durch die Entscheidung zu rauchen bzw. weiter zu rauchen, verkürzen sie ihr Leben, d. h. Raucher würden prinzipiell länger leben, wenn sie nicht rauchten bzw. aufhörten, zu rauchen. „Prinzipiell" heißt in diesem Fall, dass auch andere Risken wirksam werden könnten, so dass im Einzelfall die Lebensverkürzung auch eine andere Ursache (z. B. Unfall) haben kann. Aus diesem Grund haben statistische Aussagen über den Schaden des Rauchens auch für das Individualverhalten moralische Relevanz.
Man kann also zusammenfassend sagen, dass Tabakrauchen nachweislich ein selbstzerstörerisches Verhalten und eine verheerende „Dauerepidemie" ist:
a) Das nachhaltige Rauchen bewirkt schwere Krankheiten, die vorzeitig zum Tod führen.
b) Das aktive Rauchen bewirkt eine durchschnittliche Verkürzung des Lebens um 9 Jahre.
c) Auch die Schäden des passiven Rauchens sind relevant: es geht sowohl um schwerwiegende Krankheiten als auch um eine beträchtliche Lebensverkürzung, die mit 1,6 Jahren beziffert wird.
II. Rauchen als kulturelles Phänomen und seine moralische Dimension
Die kulturgeschichtliche Dimension des Rauchens steht offensichtlich einer nüchternen moralischen Beurteilung des Phänomens im Wege. Denn angesichts des hohen Stellenwertes der Gesundheit, für deren Sicherstellung die Gesellschaft immer mehr Ressourcen mobilisiert und offensichtlich jeden Preis zu zahlen bereit ist, müsste man konsequenterweise das Rauchen global gesehen als irrationales Phänomen und individuell als Fehlverhalten bewerten. Objektiv betrachtet bringt es keinen wahren Nutzen, der nicht durch andere, zudem risikolose Mittel erreichbar wäre. Es erhöht in keiner Weise den Wohlstand und das Wohlbefinden der Gesellschaft, und abgesehen von Scheinproblemen löst es kein Problem wirklich. Trotzdem ist das Rauchen durchaus politisch und sozial akzeptiert. Darin liegt also die Irrationalität dieses Verhaltens, das dafür aber, wie bereits erwähnt, nicht weniger als 40 Mio. DALYs jährlich kostet.
Die Tatsache, dass es trotz der bereits erwähnten offensichtlichen Irrationalität nicht an Bedeutung verliert, weist aus kulturkritischer Sicht auf eine starke, kulturell mehrfach gesicherte Verankerung des Rauchverhaltens in unserer Gesellschaft hin.14 Anthropologische, soziologische, ökonomische und politische Faktoren verankern das Rauchverhalten kulturell fest in unsere Gesellschaft.
Die anthropologische Verankerung
Moralisch sehr relevant ist, dass die Einsichtsfähigkeit und die Entscheidungsfreiheit des Rauchers in Zusammenhang mit seinem Rauchverhalten durch die von der Nikotinsucht verursachte Abhängigkeit eingeschränkt werden können. Mit jeder Abhängigkeit und mit jeder Leidenschaft geht eine geringere oder größere Rationalitätsreduktion einher. Der Tabakabhängige, der in seiner Wahlfreiheit stark eingeschränkt ist, neigt dazu, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Rauchens anzuzweifeln und die Konsequenzen seines Verhaltens herunterzuspielen, so dass die Bereitschaft, sich zu ändern, eher gering ist.15 Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten, die pseudowissenschaftlich nicht zuletzt von der Tabakindustrie entwickelt bzw. unterstützt werden, mit denen er sein Verhalten rechtfertigen kann: rüstige Senioren, die ein Leben lang geraucht hätten; andere gleichwertige Risken, die in Kauf genommen würden; lieber jetzt genussvoll rauchen, als ein paar Jahre länger vielleicht mit schwerer Krankheit leben zu müssen; usw.
Subjektiv ist die Einsichtsfähigkeit bezüglich der Risken des Rauchens auch dadurch stark geschmälert, dass die Schäden erst viele Jahre später eintreten. Die große zeitliche Distanz und die Ungewissheit des Eintretens des Schadens – schließlich kann man vorzeitig bei einem Unfall sterben oder irgendwann mit dem Rauchen aufhören – verringern auch die Bereitschaft, für den zukünftigen Schaden schon jetzt die Verantwortung zu übernehmen und daher die Konsequenzen zu ziehen.
Objektiv ist diese Einsichtsfähigkeit, wie später noch gezeigt wird, auch durch andere Faktoren verringert, welche die Vermittlung des wahren Ausmaßes der Schäden verhindern: Zigarettenwerbung, Berichte über die Überschätzung der Risken, schlechtes Beispiel von Vorbildern, die Inkonsequenz der beratenden Ärzte, die politische Toleranz der Gesellschaft, die sonst in Gesundheitsfragen kaum bereit ist, Spielraum für hohe Risken zu tolerieren (vgl. z. B. die Gurtenpflicht beim Autofahren) usw.
Die Einschränkung der Einsichtsfähigkeit hat natürlich eine moralische Relevanz. Niemand trägt moralische Verantwortung für Folgen, die er nicht erahnen konnte, sehr wohl aber für jene, die aufgrund belegbarer Daten vorauszusehen sind. Hier ist daher jeweils zu klären, ob die faktische Einschränkung der Einsichtigkeit selbstverschuldet ist.
Die soziologische Verankerung
Das Rauchen wird stark durch Beispielwirkung unterstützt und verbreitet.16 Jedes mehr oder weniger öffentliche Rauchen hat eine soziologische Wirkung. Besonders ist das bei Persönlichkeiten wie Politikern, Künstlern, Schriftstellern, Erziehern und Sportlern, ebenso bei Journalisten, Richtern, Wissenschaftlern und Ärzten der Fall. Das Bewusstsein, dass sie dabei einen Beitrag zur Aufrechterhaltung des kulturellen Phänomens leisten und daher Mitverantwortung für den dadurch verursachten Schaden tragen, ist nicht sehr stark ausgeprägt.
Besondere Verantwortung tragen hier die Ärzte. Sie sind die Gesundheitsexperten, die Vermittler der medizinischen Wissenschaft und Berater. Der medizinische Laie kann die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien nicht bewerten. Er ist auf den Arzt als Anwalt des Lebens angewiesen. Ein Arzt weiß, dass Rauchen nicht nur im Krankheitsfall ein schweres Risiko ist, sondern auch, dass es viele tödliche Krankheiten verursachen kann. Nichtrauchen sollte heute für jeden Arzt als Mittel erster Wahl für eine allgemeine Prävention gelten. Viele würden das Rauchen aufgeben, wenn der Arzt ihnen ernsthaft sagte, dass die Schädlichkeit gesichert sei. Auf Grund der seit vielen Dekaden vorliegenden Beweise müsste der Arzt jeden Raucher darüber informieren. Wie kann er dies aber, wenn er selber raucht? Erhebungen in Italien ergaben, dass bedauerlicherweise 40% der Ärzte rauchen. In Großbritannien und in den skandinavischen Ländern liegt die Zahl der Ärzte, die rauchen, bereits unter 10%. In Deutschland – und wahrscheinlich ähnlich in Österreich – rauchen rund 20% der Ärzte.17
Auch derjenige, der sich ganz sicher ist, dass das Rauchen ihm selbst nicht schadet oder nicht mehr schaden kann, hat die moralische Frage nicht gelöst, ob er durch sein Verhalten nicht doch Verantwortung für jene Menschen in seiner Umgebung trägt, die durch sein Verhalten indirekt bestätigt werden und letztlich zu der Gruppe von 5 Mio. Menschen gehören, die jährlich vor der Zeit sterben werden. Es gibt da wohl eine kulturelle und soziale Verantwortung, die moralisch nicht als unbedeutend abgetan werden darf (vgl. Abschnitt IV).
Die ökonomische und die politische Verankerung
Die Tabakindustrie ist weltweit einer der finanzstärksten Industriezweige. Es ist eine sehr gut dokumentierte Tatsache, dass diese ökonomische Stärke gezielt zur kulturellen Verankerung des Rauchens in der Gesellschaft eingesetzt wird.18 Durch ihre Werbe- und Marketingstrategien erreicht die Tabakindustrie, dass trotz der zunehmenden Zahl der Aussteiger immer mehr Anfänger vor allem unter der Jugend gewonnen werden und so der Markt, von dem sie ihre Macht bezieht, weltweit expandiert.19 Bis jetzt haben die gesetzlichen Einschränkungen vieler Länder für Zigarettenwerbung kaum eine Wirkung gezeigt. Die Tabakindustrie hat immer Wege gefunden, ihre Umsätze zu halten oder sogar zu steigern.
Die Finanzstärke dieses Wirtschaftszweigs hat natürlich auch ein hohes politisches Gewicht. Dies hat sich z. B. bei der Strategie der Tabakkonzerne zur Verhinderung der EU-Direktive bezüglich des Werbe- und Sponsoringverbots von Tabakprodukten gezeigt. Die Direktive wurde 1989 vorgeschlagen, 1998 beschlossen, 2000 vom Europäischen Gerichtshof auf Betreiben der deutschen Regierung zwar aufgehoben, aber doch 2002 definitiv approbiert. Sie sieht vor, den Werbe- und Sponsoraktivitäten für Tabakprodukte bis 2006 in den Ländern der Europäischen Union ein Ende zu setzen. Neuman, Bitton und Glantz haben anhand von Protokollen von Philip Morris, R. J. Reynolds und Brown and Williamson, sowie einzelnen veröffentlichten und bestätigten Berichten dokumentiert, wie es der Zigarettenindustrie gelungen ist, diese Direktive mehr als eine Dekade lang zu blockieren. Dabei sind Geldbeträge geflossen, die zum Ankauf von politischem Wohlwollen wirksam gewesen sein dürften.20
Die Tabakbesteuerung ist politisch gesehen ein zweischneidiges Schwert. Ab einer gewissen Besteuerungshöhe hat sie sich dort, wo sie eingeführt ist, als wirksame Maßnahme zur Reduktion des Tabakkonsums erwiesen. Allerdings geraten dabei die öffentlichen Finanzen in eine verfängliche Abhängigkeit vom Tabakverbrauch. Wenn auch die angestrebte Reduktion der Raucher außer Streit steht, so werden doch durch die Tabaksteuer beträchtliche zusätzliche Einnahmen zur Verbesserung des Budgets erzielt, die direkt oder indirekt zur Finanzierung des Gesundheitswesens beitragen. Es ist eine Frage der politischen Moral, ob der Staat sich eines so gesundheitsschädlichen Produktes bedienen darf, um auf der anderen Seite die Gesundheit zu fördern. Dürfen Gesundheitsschäden (Sterbefälle) und Gesundheitsdienstleistungen (Präventionsmaßnahmen) in einer politischen Entscheidung gegeneinander aufgerechnet werden? Man könnte argumentieren, dass, wenn das Rauchen schon nicht aus der Kultur zu entwurzeln ist, so doch zumindest die Raucher für den Schaden aufkommen sollen. Aber der Schaden an Gesundheit und Menschenleben ist nicht monetär zu bewerten. Deshalb ist die Besteuerung des Tabaks als Geldquelle der öffentlichen Finanzen eigentlich ein Hindernis, um mit Entschlossenheit seinen Konsum politisch zu bekämpfen. Solange aber dieser politische Wille gegen das Rauchen nicht vorhanden ist, scheint eine starke Tabakbesteuerung, wie von der WHO21 empfohlen, trotzdem angebracht.
Ein wirtschaftspolitisches Argument zu Gunsten des Rauchens, das von den Tabaklobbys gerne ins Treffen geführt wird, ist die Zahl der Arbeitnehmer, die weltweit in der Tabakindustrie und -landwirtschaft beschäftigt sind.22 Viele Familien hängen mit ihrem Einkommen von diesen Arbeitsplätzen ab. Dies ist sicherlich ein wichtiger Aspekt aus sozialethischer Perspektive, der bei der Abwägung von Entscheidungen zur Einschränkung des Rauchens ebenfalls berücksichtigt werden muss. Man sollte aber dieses Argument praktisch-politisch entkräften, indem Beschäftigungsalternativen für diese Menschen geschaffen werden. Vom ethischen Standpunkt aus sind jedenfalls die Arbeitsplätze zur Erzeugung jenes Produkts, das die größte „Epidemie" unserer Zeit bewirkt, kaum mehr zu rechtfertigen. Deswegen sollten sich die gesundheitsbewussten Nationalstaaten und die internationalen Organisationen bemühen, Alternativen zu schaffen, die einen geordneten Abbau der Tabakindustrie und -landwirtschaft ermöglichen.
Die moralische Frage ist hier, wie ein Industriezweig gerechtfertigt, d. h. zugelassen und sogar gefördert werden kann, dessen Produkte in solchem Ausmaß gesundheitsschädlich sind und objektiv keinen Nutzen bringen, der nicht auch auf eine andere Weise und zudem gefahrlos erreichbar wäre. Es ist kaum verständlich, dass angesichts der fünf Mio. Toten jährlich und dem jährlichen Verlust von 44 Mio. Lebensjahren keine politische Maßnahme gesetzt werden konnte, um der größten Dauerepidemie aller Zeiten ein Ende zu bereiten.
Aus einer extrem liberalen Position wird argumentiert, dass es nicht Aufgabe des Staates sein kann, die Bürger zu bevormunden. Wenn sich ein freier Markt mit Nachfrage und Angebot bildet, in dem einige Bürger Tabak frei kaufen, den andere produzieren wollen, sollte der Staat es zulassen. Nun entspricht dies aber nicht den Tatsachen. Gerade der hier in diesem Aufsatz verwendete kulturkritische Ansatz zeigt auf, dass ein beträchtlicher Druck auf die Individuen von Seiten der Gesellschaft zur Akzeptanz des Rauchens ausgeübt wird. Erst vor wenigen Jahren wurde schüchtern begonnen, diese Akzeptanz zu hinterfragen, was zur Entstehung einer Antitabakbewegung geführt hat. Es ist eine Tatsache, dass viele Bürger dieser Gesellschaft als Passivraucher ohne ihre Zustimmung, d. h. unter Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts geschädigt werden. Unter diesen Umständen einem individualistischen Liberalismus das Wort zu reden, ist nicht lauter, denn zuerst müssten die Voraussetzungen für die freie Entscheidung der Individuen geschaffen werden. Und das wäre Aufgabe des Staates, der den kulturellen Druck zu Gunsten des Rauchens völlig abbauen und die Nichtraucher schützen sollte, indem jede Art von ungewolltem Passivrauchen (ganz besonders hinsichtlich der Minderjährigen in der Familie) unterbunden wird.
Das Tabakrauchen hat bis vor fünfzig Jahren kaum moralische Fragen aufgeworfen. Erst nachdem medizinische Studien nach und nach die zahlreichen Schadenswirkungen nachgewiesen hatten, begann eine ethische Reflexion, die das ursprüngliche Gewissensurteil des einzelnen Menschen über die sittliche Unbedenklichkeit23 des Tabakrauchens in Frage stellte. In den letzten fünfzig Jahren hätte sich auf Grund der neuen Erkenntnisse die sittliche Beurteilung radikal verändern müssen. Dies geschah aber nur sehr zögerlich. Sowohl die soziologische wie die politische und ökonomische Verankerung hat eine kulturell sehr wirksame Desinformation der Bürger bewirkt, die immer noch andauert. Deshalb war und ist es noch zum Teil für den einzelnen Bürger sehr schwer, sich nüchtern ein Bild über die Schäden und über die moralische Relevanz des Rauchens zu machen. Diese Frage soll im nächsten Abschnitt beleuchtet werden.
III. Individualmoralische Bewertung des Rauchens
Die individualethische Beurteilung des Rauchens setzt die moralische Spezifizierung der Handlung „Rauchen" voraus. Dazu genügt nicht die rein äußere, d. h. physische Beschreibung der Handlung „Herr Müller raucht eine Zigarette", oder „er raucht so und so viele Zigaretten". Die Handlung wäre ungenügend beschrieben, denn es wird noch nicht klar, was das Subjekt im moralischen Sinn gewählt hat. Die moralische Identität wird erst eindeutig erkennbar, wenn zumindest ein erstes „Wozu" der Handlung explizit wird (intentionale Basishandlung).24 Die Handlung des „Zigarettenrauchens" ist erst moralisch qualifizierbar, wenn man auch die Intention angibt, d. h. das, was man eigentlich mit der Entscheidung zum Tun erreichen will. Darf aus Neugierde die erste Zigarette geraucht werden, auf die keine weitere folgen soll? Sollen der ersten eine zweite, eine dritte oder unbestimmte Anzahl von Zigaretten folgen, sodass langsam die Abhängigkeit entsteht? Raucht jemand eine Zigarette, nachdem er beschlossen hatte, mit dem Rauchen aufzuhören? Soll diese eine nur die „Abschiedszigarette" sein? In allen diesen Fällen besteht die physische Handlung „Eine Zigarette rauchen", aber der sittliche Gegenstand der Handlung ist jeweils verschieden, weil der Entscheidungskontext, d. h. in diesem Fall die Absicht, jeweils eine andere ist.
Der von einer einzelnen Zigarette bewirkte Schaden dürfte medizinisch ziemlich irrelevant sein.25 Schädlich ist jedenfalls das nachhaltige, aktive, schwere, aber auch leichte und ebenso das passive Rauchen. Jede einzelne Zigarette eines Kettenrauchers steht aber in einem biographischen Zusammenhang mit seiner Sucht und muss kausal und daher auch moralisch mit jener Haltung in Beziehung gesetzt werden, durch die schwere Schäden bewirkt werden. Das heißt also, dass die Entscheidung „Eine Zigarette rauchen" nicht richtig moralisch qualifiziert werden kann, ohne den Rekurs auf die allgemeine Entscheidung „regelmäßig zu rauchen", von der erstere nur eine Folge oder ein Bestandteil ist. Diese allgemeine Entscheidung muss nicht explizit in einem „Jetzt werde ich formell ein Raucher" bestehen, sondern kann auch durch die einfache Nichtunterlassung von Zigarettenrauchen zustande kommen, denn jeder muss davon ausgehen, dass er durch regelmäßiges Rauchen tabakabhängig wird. Das heißt konkret: Wer wissen müsste, dass er durch wiederholte Raucherhandlungen zum Gewohnheitsraucher und daher süchtig wird, und dass nur durch Unterlassung von Raucherhandlungen eine Entwöhnung erreicht und er dadurch wieder zum Nichtraucher werden kann, entscheidet sich bewusst oder unbewusst auch bei jeder einzelnen Zigarette dafür, Raucher zu sein oder zu bleiben. Da gibt es bereits ein klares, moralisch relevantes „Wozu" der Handlung „eine Zigarette zu rauchen". Und was ist nun die moralische Qualität dieser Handlung?
Eine Handlung ist (sittlich) gut, wenn sie gemäß der Vernunft gewählt wird. Bekanntlich ist die sittliche Tugend ein Habitus des Wählens gemäß der Vernunft.26 Die moralische Qualität der Handlung ergibt sich aus ihrer Übereinstimmung mit der Tugend, die also das Vernunftgemäße angibt. Wenn es um das Tabakrauchen geht, müsste man überprüfen, wie das Raucherverhalten mit den Tugenden des Maßes und der Gerechtigkeit in Übereinstimmung zu bringen ist. Anhand dieser zwei Kardinaltugenden kann geklärt werden, wann Rauchen eine vernunftgemäße Tätigkeit ist und wann nicht.
Die Tugend des Maßes27 ist jene, die das sinnliche Begehren moderiert, das wiederum auf das, gemäß der Wertung der Sinne, als lustvoll Erscheinende aus ist. Sie unterwirft also das Begehren dem Urteil der Vernunft. Der Raucher begehrt das Tabakrauchen. Nun ist die Frage: Welches Maß an Tabakkonsum ist noch vernünftig? Wann wird zu viel geraucht? Wie kann die Vernunft beim Rauchen das Maß bestimmen? Auf Grund von gesicherten medizinischen Erkenntnissen über das schwere und leichte Zigarettenrauchen und über das Passivrauchen kann man vernünftigerweise nur sagen, dass das von der Vernunft dosierte Maß in den meisten Fällen (jedenfalls für den tabakabhängigen Raucher) mit null Zigaretten anzusetzen wäre.
Verstößt also jede Zigarette gegen die Tugend des Maßes? Ja und nein. Ja, wenn es sich um einen nachhaltigen oder einen angehenden oder einen abgewöhnungswilligen Raucher handelt. Die allerletzte Zigarette des Rauchers, der bereits entschieden hat, damit sofort aufzuhören, würde nicht unmäßig sein, ebenso wenig wie jene andere, die gelegentlich konsumiert wird, ohne jede Absicht weiter zu rauchen. Für den werdenden Raucher oder für den Gewohnheitsraucher hingegen ist jede zusätzliche Zigarette eine Zigarette zuviel. Wenn jemandem nur mit Mühe eine Entwöhnung gelungen ist, wäre dieser wahrscheinlich schon unmäßig, wenn er nur eine Zigarette rauchte, auch dann, wenn er nicht die Absicht hätte, wieder zu rauchen, zumal das Rückfallsrisiko bekanntlich sehr groß ist.28 Rückfälle werden meistens nicht beabsichtigt, sie passieren einfach!
Anhand dieses letzten Falles lässt sich auch aufzeigen, dass nicht alle Verstöße gegen die Mäßigung das gleiche moralische Gewicht haben. So verstößt die eine Zigarette, die den Entwöhnungsprozess unwirksam macht, in größerem Ausmaß gegen die Tugend der Maßhaltung als viele vom abhängigen Raucher mit Routine gerauchte Zigaretten.
Prinzipiell kann eine einzelne Zigarette mit der Tugend des Maßes durchaus in Einklang stehen. Dies wird der Fall sein, wenn es sich um einen Gelegenheitsraucher handelt, der ab und zu daran Spaß hat, eine Zigarette zu rauchen, ohne sich dadurch in die Gefahr der Sucht zu begeben. Denn, wie erwähnt, eine einzelne isolierte Zigarette bewirkt kaum einen merklichen Schaden. In der Regel darf man davon ausgehen, dass der Organismus dieses geringfügige Rauchen verkraftet.29 Theoretisch könnte man sagen, dass für diese Raucher der Gesamteffekt des Rauchens positiv ist, weil das psychische Wohlbefinden des geringfügigen Rauchens auch einen Nutzen haben könnte, der weit höher liegt als der mutmaßliche Schaden. Dies klingt plausibel, bleibt aber hypothetisch, denn dafür gibt es keinen Beweis. Man muss aber auch beachten, dass die meisten Menschen als Gelegenheitsraucher beginnen, aber davon nur 3 bis 5% vor der Schwelle der Tabakabhängigkeit Halt machen können.30 D. h. jede gerauchte Zigarette birgt ein beträchtliches Risiko in sich, zur Sucht zu führen. Man kann daher nicht ohne weiters sagen, dass das Tabakrauchen vor der Abhängigkeit moralisch bedenkenlos ist.
Zur moralischen Qualifikation muss das Rauchen auch im Hinblick auf die Gerechtigkeit geprüft werden. Diese Tugend ordnet die Beziehungen zu Gott31 und zu den Mitmenschen gemäß der Vernunft. Die schweren Verstöße gegen das Leben, auch gegen das eigene, sind deshalb Verstöße gegen die Gerechtigkeit, weil weder das fremde menschliche noch das eigene Leben zur uneingeschränkt freien Disposition stehen. Dieser Grundsatz wird für das fremde Leben als ein Gut, das nicht uns gehört, nicht in Frage gestellt. Er gilt aber auch für das eigene Leben, dessen Nutznießer und Verwalter, aber nicht Eigentümer wir sind. Das Leben ist eine Gabe, und zwar nicht nur für das Subjekt dieses Lebens allein, sondern auch für sein menschliches Umfeld, eine Gabe, die sowohl zur Gerechtigkeit gegenüber dem Schöpfer als auch gegenüber den anderen durch jenes Leben beschenkten Menschen verpflichtet. Wir sind Gott irgendwie auch unsere körperlichen Vermögen schuldig. Die Tugend, die darauf achtet, dass der Mensch dem Schöpfer das Geschuldete zurückgibt, ist die der Religion,32 die ihrerseits zur Tugend der Gerechtigkeit (pars potentialis33) gehört. Die durch die medizinischen Befunde gestützte Sterbestatistik besagt, dass der Langzeitraucher eine um ca. 7 bis 11 Jahre geringere Lebenserwartung hat, d. h. der Raucher muss je nach Alter und Raucherjahren mit einem vorzeitigen Tod rechnen. Die Entscheidung für eine Lebensverkürzung von solchem Ausmaß würde wider die Vernunft sein, die in diesem Fall durch die Tugend der Gerechtigkeit gewahrt wird. Das Gegenargument der Autonomie des Menschen greift hier nicht richtig, denn die direkt oder indirekt gewollte Verkürzung des Lebens ist kein eigentlicher Akt der Selbstbestimmung, sondern vor allem deren Aufhebung durch die verzögerte Zerstörung seiner Selbst.34
Die Gerechtigkeit und viel mehr noch die Nächstenliebe können zuweilen ein hohes Lebensrisiko legitimieren oder sogar einfordern. Es gibt moralisch wertvolle Güter, zu deren Erlangung eine Handlung legitim werden könnte, die eine mögliche letale Nebenwirkung hat. Mit anderen Worten: diese darf in Kauf genommen werden. Das ist der Fall, wenn es z. B. darum geht, ein oder mehrere Menschenleben zu retten. In solchen Fällen kann man zur Abwägung der Güter die Regel der Handlung mit Doppeleffekt35 anwenden. Für das Rauchen finden diese Regeln jedoch keine Anwendung, weil nicht vorstellbar ist, dass mit Tabakrauchen ein höheres Ziel erreichbar wäre. Die sittliche Qualität der Handlung des Rauchens ist – unabhängig von der konkreten zusätzlichen Absicht – von der Tatsache bestimmt, dass das Rauchen auf jeden Fall die Gesundheit beeinträchtigt und das Leben verkürzt. Nicht wenige Raucher, die vor die unbestreitbare Tatsache der Lebensverkürzung durch Tabakrauchen gestellt werden, behaupten, sie zögen den unmittelbaren „Nutzen" des häufigen Nikotinkicks – Entspannung und Wohlbefinden – dem Schaden durch Krankheit und Lebensverkürzung vor. Bei dieser Aussage wird ein relativ gegenwärtiges, aber minderwertiges und durchaus ersetzliches Gut – Genuss durch Tabakrauchen – gegen ein zukünftiges, hochwertiges und unverzichtbares Gut – Lebensjahre – eingetauscht. Die Verantwortungslosigkeit bei diesem Tausch zeigt sich schon darin, dass dieser meistens zu spät rückgängig gemacht werden will, wenn beim Eintritt des irreversiblen Ernstfalles – z. B. Krebskrankheit, Herzinfarkt – das Rauchen doch noch aufgegeben wird, in der Hoffnung, dass die Krankheit wenigstens nicht zum Tode führt.
Was besonders schwer mit der Gerechtigkeit und mit der Nächstenliebe in Einklang zu bringen ist, sind die Gesundheitsschäden, die das Rauchen bei Dritten ohne deren Zustimmung bewirkt. Rauchen stellt in vielen Fällen eine Missachtung der Selbstbestimmung von Drittpersonen dar und bewirkt eine Verletzung von deren körperlichen Integrität bis hin zur unfreiwilligen Verkürzung des Lebens. Dies betrifft z. B. das Rauchen am Arbeitsplatz. Es gibt auch ausreichende wissenschaftliche Beweise dafür, dass die Wirkungen des Passivrauchens in der Familie nicht unerheblich sind.36 Das Rauchen ist also auch eine Verfehlung gegen die Gerechtigkeit und gegen die Nächstenliebe in vielen Fällen, wo gegenüber den Kindern (ganz besonders den ungeborenen Kindern in der Schwangerschaft) oder dem Ehepartner diese Tugenden besonders angezeigt wären.
Man kann also zusammenfassend sagen,
a) dass das nachhaltige Rauchen prinzipiell gegen die Mäßigkeit und gegen die Gerechtigkeit verstößt und daher moralisch nicht legitimiert werden kann, und
b) dass das Gelegenheitsrauchen des nicht süchtigen Tabakgenießers per se nicht gegen diese Tugenden verstößt, und daher nicht prinzipiell unsittlich ist.
Diese Urteile liegen allerdings auf der prinzipiellen Ebene, d. h. sie können nicht auf jeden nachhaltigen oder gelegentlichen Raucher ohne weitere Abwägung seiner individuellen Situation angewandt werden. Obwohl das Rauchen an sich objektiv Schaden anrichtet, den niemand verantworten will, befinden sich faktisch viele Raucher mehr oder weniger unbewusst in einer psychologischen und soziokulturellen Lage, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben und die sie daher nicht oder nur zum Teil zu verantworten haben. Deswegen ist es sehr angebracht, gemeinsam mit anderen Bioethikern,37 die diese Frage behandeln, bei der moralischen Beurteilung des Tabakrauchens zwischen objektiver und subjektiver Verantwortung bzw. Verfehlung zu unterscheiden. Subjektiv bedeutet in diesem Zusammenhang subjektbezogen, d. h. dass alle besonderen Umstände des handelnden Subjektes in der Beurteilung berücksichtigt werden. Es entspricht dem Begriff der formalen Moralität der klassischen Moralphilosophie im Gegensatz zu der materiellen (objektiven) Sittlichkeit, die auf der Ebene der Prinzipien liegt. Die moralisch subjektive (formale) Verantwortung kann durchaus geringer als die objektive prinzipielle ausfallen.
Im Zusammenhang mit der subjektiven Verantwortung ist die Frage des Einflusses der Tabakabhängigkeit auf das Gewissensurteil von Bedeutung. Eine Sucht löst ähnlich wie eine Leidenschaft ein starkes sinnliches Begehren aus, das vom Willen nicht leicht steuerbar ist, weil ein Unterdrücken des Begehrens mit einem nachhaltigen psychosomatischen Unwohlsein einhergeht. Der Tabakabhängige wird versuchen, sein Nachgeben zu legitimieren, und daher dazu neigen, so lange wie möglich an der Glaubwürdigkeit des medizinischen Urteils zu zweifeln, oder sich mit der Möglichkeit von Irrtümern, Fehleinschätzungen und Übertreibungen sowie letztlich mit der Ungewissheit zu rechtfertigen, ob ihn der Schaden wie so viele andere überhaupt treffen muss. Seine Argumentation wird von den oben erwähnten kulturellen Verankerungsfaktoren (vgl. Abschnitt II) des Tabakrauchens wirksam unterstützt. Es ist heute für den einzelnen Menschen auf Grund der oben erwähnten kulturellen Desinformation wirklich nicht leicht, sich über das Tabakrauchen ein sachliches Urteil zu bilden. Der Süchtige als Betroffener ist befangen und hat es daher noch schwerer.
Das Ausmaß der Entlastung von seiner Verantwortung beim einzelnen Raucher wird von Fall zu Fall je nach den Umständen verschieden sein. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass die erwähnten Faktoren schon ausreichen, um generell eine totale Entlastung zu bewirken. Denn man kann dabei weder von einem Verlust der Wahlfreiheit noch von einem unüberwindlich irrigen Gewissen sprechen. Nur in solchen Fällen wäre eine totale Entlastung denkbar. Die Verankerungsfaktoren können für Raucher ein mehr oder weniger schweres Hindernis sein, die Folgen ihres Verhaltens richtig einzuschätzen. Wenn außerdem die Sucht zu einer Zeit entstand, als das Tabakrauchen noch allgemein als ethisch unbedenklich galt, kann die Abhängigkeit nicht als schuldhaft bezeichnet werden. Ab dem Zeitpunkt aber, in dem ein solcher Raucher über die Sachlage aufgeklärt wurde, trägt er auch eine moralische Verantwortung. Diese wird allerdings weniger bedeutend sein als die jenes Rauchers, der erst mit dem Rauchen beginnt, wenn er schon über das Wissen verfügt, welche Schuld er möglicherweise auf sich laden wird.
Man darf hier nicht unerwähnt lassen, dass die Verdrängung38 der möglichen individuellen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Tabakrauchen ebenso wie mit manchen anderen aktuellen Phänomenen weit verbreitet ist. Die Verdrängung und die Wahrheitsverweigerung sind Haltungen, die in der Kultur der Postmoderne in den verschiedensten Zusammenhängen üblich geworden sind. Man darf aber nicht davon ausgehen, dass die Verdrängung der moralischen Dimension einer Handlung die Entlastung des Gewissens bewirken kann. Im Gegenteil, Verdrängung heißt, sich auf keinen Gewissensdiskurs einzulassen oder ein rationales Hinterfragen von Verhalten zu suspendieren bzw. sich mit vordergründigen und ungenügenden Argumenten zu begnügen. Für eine derartige Haltung ist das Subjekt verantwortlich, denn es agiert willentlich unter Ausschaltung des Gewissens.
Es sei aber noch angemerkt, dass hier keine allgemeingültigen moralischen Urteile ausgesprochen, sondern nur Kriterien für eine Beurteilung ausgearbeitet werden können, die aber auf partikuläre Umstände angewandt werden sollten. In moralischen Fragen ist nur jeder einzelne für sich in der Lage, nach objektiven Kriterien im Gewissen Urteile zu fällen. Das gilt auch für den Raucher. So bedauerlich es ist, wenn jemand süchtig geworden ist, sollte man sich hüten, ihn konkret zu verurteilen, auch dann, wenn der Sachverhalt ziemlich klar zu sein scheint. Die oben erwähnte starke kulturelle Dimension des Phänomens Tabakrauchen, welche sowohl die Einsicht über seine Schädlichkeit als auch die Wahlfreiheit des Rauchers einschränken kann, vermag das Gewissen des Rauchers moralisch stark zu entlasten. Deshalb muss bei diesem Phänomen besonders auf die kulturethische Verantwortung geachtet werden.
IV. Tabakrauchen aus kultur- und sozialethischer Perspektive
Als Kultur- und Sozialethik versteht man jene Teile der Moralphilosophie, die die kulturellen und sozialen Institutionen und Phänomene im Hinblick auf ihre Förderung oder Behinderung der Verwirklichung des Guten in dieser Kultur hinterfragt und die Werte und die Kriterien, die für diese Hinterfragung notwendig sind, festlegt. Aus einer kultur- und sozialethischen Perspektive gesehen, ist ein Phänomen, das jährlich rd. 5 Mio. Menschen im Durchschnitt um 10 Lebensjahre bringt, einfach indiskutabel. Es handelt sich nicht um eine unabwendbare Naturkatastrophe, die einfach hinzunehmen ist, sondern letztlich um Menschenwerk. Auf Naturkatastrophen reagiert man mit Maßnahmen zur Prävention. Man sollte annehmen, dass es noch viel leichter ist, schädliche Menschenwerke abzustellen, schließlich ist der Mensch ein Vernunftwesen. Der Fall des Tabakrauchens ist nicht der einzige, der zeigt, dass diese Annahme falsch ist. Die Gesellschaftsdynamik von kulturellen Phänomenen wird meistens von Interessenskollisionen geprägt und folgt für gewöhnlich nicht den Gesetzen der Vernunft.
Das Tabakrauchen als kulturelles Phänomen hätte nach dem oben Gesagten keine Existenzberechtigung mehr. Deshalb müsste jeder Bürger einer Gesellschaft, in der diese Kultur herrscht, so handeln, dass das Phänomen bald ausläuft; d. h. jeder müsste dazu beitragen, dass die Verankerungsfaktoren unwirksam gemacht werden, wobei aus der sozialethischen Perspektive vor allem die soziologische, die ökonomische und die politische Verankerung relevant sind.
Das Rauchen wird nicht mehr salonfähig sein und aus der Öffentlichkeit verschwinden, wenn Meinungsbildner, d. h. Persönlichkeiten wie Politiker, Künstler, Schriftsteller und Sportler ebenso wie Journalisten, Richter, Ärzte und Wissenschaftler sich ihrer Verantwortung bewusst werden und nicht mehr rauchen, wenn Ärzte darüber hinaus ihren Patienten dringend raten, präventiv sofort mit dem Rauchen aufzuhören, und wenn in Filmen, in der Werbung und im Theater das Rauchen nicht als „cool" dargestellt wird, sondern im Gegenteil als unvernünftig, ungerecht und unsolidarisch. So kann die soziologische Verankerung gelöst werden. Aus dieser sozialethischen Perspektive resultiert daher eine individualethische Verantwortung für all jene, die den Lebensstil stärker prägen als der Durchschnitt der Bürger. Diese schwere Verantwortung darf nicht abgeschüttelt werden.
Die Politiker sind Träger der politisch-ethischen Verantwortung. Die Haltung der Politik gegenüber Tabak muss sich ändern und eindeutiger werden: Jede direkte oder indirekte Förderung der Tabakindustrie oder -landwirtschaft sollte abgestellt werden; die Schaffung neuer alternativer Arbeitsplätze für all jene, die in der Tabakwirtschaft beschäftigt sind, muss politisch gefördert werden, z. B. durch Begünstigungen für Betriebsgründungen in der Nähe von Zigaretten-Produktionsstätten. Natürlich sollten auch strengere Auflagen bei der Tabakproduktion und beim Handel gesetzlich festgelegt werden, ähnlich den Auflagen bzgl. krebserregender Nahrungsmittel.
Es stellt sich auch die Frage, ob sich nicht aus dieser sozialethischen Perspektive die Verantwortung des Gelegenheitsrauchers anders darstellt. Wie erwähnt, verursacht er weder an sich selbst noch an Dritten nennenswerte gesundheitliche Schäden. Mit seinem Rauchen in der Öffentlichkeit wird er aber die Salonfähigkeit des Rauchens verstärken, und zumindest indirekte Impulse zum Tabakverbrauch geben, die eine Beispielwirkung haben. Man wird schwer einen Titel finden können, um ihm zu verbieten, hin und wieder zu rauchen. Wenn er aber davon nicht abzubringen ist, sollte er es fern von der Öffentlichkeit tun.
V. Ungleiche Behandlung von Tabakrauchen und Alkoholkonsum
Die Argumente, die gegen eine moralische Verurteilung bzw. gegen öffentliche Restriktionen bezüglich des Tabakrauchens angeführt werden, sind verschieden. Meistens kreisen sie um die Einschränkung der Freiheit des Menschen und stellen Vergleiche mit anderen Risken auf, die zugelassen werden. Man argumentiert mit einer Reduktion ad absurdum: wenn das Tabakrauchen unmoralisch ist, weil es das Leben verkürzt, müsste man konsequenterweise auch das Leben in Städten mit großer Luftverschmutzung als unmoralisch bezeichnen, weil auch diese lebensverkürzende Krankheiten verursache. Dann wäre es aber die Pflicht der Bürger, aus diesen Städten auszuwandern. Da dies absurd wäre und von niemandem akzeptiert werden könnte, sei die Verurteilung des Tabakrauchens nicht richtig. Man könnte noch viele ähnliche Vergleiche konstruieren. Sie zu entkräften wäre auch nicht schwer. Hier wollen wir aber nicht dieses Beispiel39 behandeln, sondern ein anderes, das eine größere Ähnlichkeit mit dem Tabakrauchen hat: den Alkoholkonsum.
Das Argument bzgl. des Alkohols lautet: Alkohol verursacht immerhin jährlich 1,8 Mio. Sterbefälle (davon 1,6 Mio. Männer).40 Sie verlieren im Durchschnitt 31 gesunde Jahre (DALYs). Das heißt, durch Alkohol sterben zwar weniger Leute, es gehen aber sogar mehr gesunde Lebensjahre verloren (56 Mio.) als durch Tabak. Daher sollte man also bei der ethischen Beurteilung des Alkohols ähnlich vorgehen, und für den Alkohol müssten auch ähnliche Maßnahmen wie für den Tabak gelten. Dazu wäre folgendes zu sagen:
a) Es gibt große Unterschiede zwischen Alkohol und Tabak. Während man aus dem oben Gesagten davon ausgehen kann, dass Tabakrauchen prinzipiell für den Raucher und sein Umfeld schädlich ist, hat der maßvolle Alkoholkonsum positive gesundheitliche Wirkungen und ist daher diätetisch als wertvoll zu betrachten.
b) Die Alkoholabhängigkeit gilt seit urdenklichen Zeiten als moralisch verwerflich. Es muss also nicht verlangt werden, bei Alkohol ähnlich wie bei Tabak zu argumentieren. Es ist sogar umgekehrt: Man sollte fordern, aufzuhören, die Tabakabhängigkeit im Gegensatz zu jener des Alkohols als ethisch unbedenklich anzusehen.
c) Für Schäden, die an Dritten durch Alkoholmissbrauch verursacht werden, sind in allen Gesetzgebungen schwere Strafen vorgesehen. Erst jetzt beschäftigen sich die Regierungen mit dem Schutz der unfreiwilligen Passivraucher. Von einer Bestrafung der Raucher wegen der Verursachung von Schäden ist man aber noch weit entfernt.
Referenzen
- World Health Organisation, The World Health Report 2002. Reducing Risks, Promoting Healthy Life
- In einem offiziellen Dokument der WHO wird das Tabakrauchen sogar als „silent killer" bezeichnet: vgl. www.who.int/inf-fs/en/fact221.html
- World Health Organisation, The World Health Report 2002. Reducing Risks, Promoting Healthy Life, Annex Table 11
- Als Raucher gilt in diesem Artikel der Tabakabhängige, der nachhaltig täglich raucht. Einige wenige Zigaretten pro Tag genügen im Allgemeinen, um die Abhängigkeit zu bewirken.
- Eine gute Übersicht ist in Haustein K. O., Tobacco or Health? Physiological and Social Damages Caused by Tobacco Smoking, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg (2003). Einen kürzeren Überblick bietet Kummer F., Zigarettenrauchen als Kausalfaktor für Gesundheitsschäden, Imago Hominis (2003); 10: 211-222 und Popper H., Veränderungen in der Pathologie der Raucher-assoziierten Erkrankungen, Imago Hominis (2004); 11: 35-41
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- vgl. www.health.gov.au/nhmrc/advice/nhmrc/ (1. 7. 2003)
- Einen Überblick und eine Bewertung der Literatur zu diesem Thema ist in Neuberger M., Passivrauch: eine krankmachende Luftverschmutzung, Imago Hominis (2003); 10, Heft 4 223-231 enthalten.
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- Prat E., Körpervergessenheit: Warum sich Männer zu Tode rauchen, in: Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Psychosoziale Aspekte der Männergesundheit, Druckerei des BMSGK (in Druck)
- Hofmann P., Bonelli R., Psychiatrische Aspekte des Rauchens, Imago Hominis (2004); 11: 43-49
- Dalton M. A. et al., Effect of viewing smoking in movies on adolescent smoking initiation: a cohort study, The Lancet online, June 10, 2003
- Valentini G., Medico Fumatori? No, grazie, in: Meditime (1994); 8: n. 3, Zitiert nach Ciccone L., Bioetica. Storia, principi, questioni, Ed. Ares, Mailand (2003), S. 357
Statistisches Zentralamt, Mikrozensus 1994 (unveröffentlicht), zitiert von Haustein K. O., Tobacco or Health? Physiological and Social Damages Caused by Tobacco Smoking, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg (2003), S. 21 - Als Übersichtsartikel vgl. MacKenzie T. D., Bartecchi C. E., Schrier R. W., The Human Costs of Tabacco Use, NEJM 330: 907-911, 975-980 und auch Lee Ch. Y., Glantz S. A., The Tobacco Industry’s Successful Efforts to Control Tobacco Policy Making in Switzerland, www.library.ucsf.edu/tobacco/swiss/index.html
- MacKenzie T. D., Bartecchi C. E., Schrier R. W., The Human Costs of Tabacco Use, N Engl J Med 330: 907-911, 975-980
- Neuman M., Bitton A., Glantz S., Tobacco Industry strategies for influencing European Community tobacco Advertising legislation, Lancet (2002); 359: 1323-1330
- World Health Organisation, The World Health Report 2002. Reducing Risks, Promoting Healthy Life, S. 124
- Kaum zu fassen ist, dass europäische Tabakbauern von der EU mit mehr als 1 Mrd. Euro subventioniert werden! (Vgl. Haustein K. O., Tobacco or Health? a. a. O., S. 405-407)
- Natürlich galt auch vor fünfzig Jahren der Tabakmissbrauch als unsittlich. Der Tabakmissbrauch lag aber erst vor, wenn eine weit über der Suchtschwelle liegende Rauchmenge konsumiert wurde. Passivrauchen und leichtes Rauchen wurden für völlig unbedenklich gehalten.
- Rhonheimer M., Die Perspektive der Moral. Philosophische Grundlagen der Tugendethik, Akademie Verlag, Berlin (2001), S. 96ff
- Popper H. Veränderungen in der Pathologie der Raucher-assoziierten Erkrankungen, Imago Hominis (2004); 11: 35-41
- Aristoteles, Nikomachische Ethik, II, 6 1106b 36 1107a 2
- Das Konzept der Kardinaltugenden besteht darin, jedem menschlichen Strebevermögen jeweils die Tugend zuzuordnen, die den Vollzug dieses Vermögens vervollkommnet, d. h. es auf das Vernunftgemäße ausrichtet. (Rhonheimer M., Die Perspektive der Moral. Philosophische Grundlagen der Tugendethik, Akademie Verlag, Berlin (2001), S. 192ff)
- Hofmann P., Bonelli R., Psychiatrische Aspekte des Rauchens, Imago Hominis (2004); 11: 43-49
- Popper H., Veränderungen in der Pathologie der Raucher-assoziierten Erkrankungen, Imago Hominis (2004); 11: 35-41
- Ich verdanke Prof. Manfred Neuberger (Wien) einige noch unveröffentlichte Schätzungen von internationalen Experten, die diese Zahl unterstützen. Sie fallen je nach Ländern verschieden aus. Vgl. auch Zhu S. H., Sun J., Hawkins S., Pierce J., Cummis S., A population study of low-rate smokers: quitting history and instability over time. Health Psychology (2003); 22: 245-252; Gilpin E. A., Cavin S. W. Pierce J. P., Adult smokers who do not smoke daily, Addiction (1997); 99: 473-480
- Das hier vorgelegte Argument ist nicht ein religiöses, sondern ein philosophisches. Es gründet nicht auf einer bestimmten göttlichen Offenbarung, sondern allein auf der Vernunft. Der Autor legt Wert auf diese Feststellung, weil heute sogar im akademischen Diskurs jede Rede von Gott immer als religiöses Argument zurückgewiesen wird.
- Die Tugend der Religion bezieht sich auf die Haltung des Menschen Gott gegenüber und ist ein ethischer Begriff, der zunächst, so wie er hier verwendet wird, von den konkreten Gottesbildern und religiösen Auffassungen unabhängig ist.
- von Aquin T., Summa Theologiae, II-II, Q 80
- Prat E. H., Zur Frage der Selbstbestimmung: Gibt es ein Recht darauf sich selbst zu töten oder auf Verlangen getötet zu werden?, in: Bonelli J., Prat E. H., Leben – Sterben –Euthanasie?, Springer Verlag, Wien (2000), S. 61-72
- Für die Zulässigkeit von Handlungen mit Doppeleffekt, d. h. mit positiven und negativen Folgen, gelten folgende Regeln: 1. Die negative Folge der Handlung darf nicht zum Ziel werden. Sie muss, soweit es geht, sogar vermieden werden. 2. Die negative Folge muss objektiv den Charakter einer Nebenwirkung haben und darf nicht die Hauptwirkung einer solchen Handlung sein. 3. Die negative Folge muss in einer angemessenen Proportion zum Zweck der Handlung stehen.
- Neuberger M., Passivrauch: eine krankmachende Luftverschmutzung, Imago Hominis (2003); 10: 223-231
37 Ciccone L., Bioetica: Storia; princìpi, questioni, Editioni Ares, Milano (2003), S. 352ff
Sgreccia E., Manuale de Bioetica, Vita e Pensiero, Milano (1966), 2. Band, S. 228- Zur Verdrängung und Wahrheitsverweigerung in Zusammenhang mit dem Tabakrauchen vgl. Prat E. H., Körpervergessenheit. Warum sich Männer zu Tode rauchen, in: Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Psychosoziale Aspekte der Männergesundheit, Druckerei des BMSGK, Wien 2004 (in Druck)
- Zur Lösung des Beispiels Luftverschmutzung vs. Rauchen: Beim Rauchen ist die Frage, ob der frei gewählte Entschluss zur Handlung Rauchen gut oder schlecht ist. Eine andere ist die moralische Fragestellung der Luftverschmutzung: Wie soll auf die bestehende und bedrohende Verschmutzung durch Verkehr und Industrie in der Stadt richtig reagiert werden? Die Geschichte der Ökologie zeigt, dass die Reaktion auszuwandern nicht gefordert werden kann, sondern politisch die Reduktion der Verschmutzung durchzusetzen ist, wie es in vielen europäischen Städten in den letzten 20 Jahren vorexerziert wurde.
- World Health Organisation, The World Health Report 2002. Reducing Risks, Promoting Healthy Life, Annex Table 11
Prof. Dr. Enrique H. Prat, IMABE-Institut
Landstraßer Hauptstraße 4/13, A-1030 Wien
ehprat(at)imabe.org